"Ich will Kalif werden anstelle des Kalifen" (Isnogud) - (I)


Santiago de los Caballeros, Die Erste



(Quelle: Eigenes Werk, Alexrk2/Wikipedia/**)

Begleiten Sie mich heute einmal in die zweitgrößte Stadt der RD, Santiago de Los Caballeros, die zu gleich Provinzhauptstadt der Region Santiago ist. Diese von mir sehr geschätzte Stadt liegt im Norden der RD im schon erwähnten Cibao-Tal.

Der Name der Stadt lautet eigentlich "Santiago De Los Treinta Caballeros", in Bezug auf 30 spanische Edelleute/ Ritter, die sich dort in der Nähe um 1500 aufhielten*. Damit ist dieses Santiago (es gibt in Lateinamerika mehrere) das "eigentliche" und "erste Santiago" der neuen Welt.


Santiago hat heute ungefähr eine Million Einwohner und eine wechselvolle Geschichte mit diversen Zerstörungen hinter sich.

Die Stadt war vor etwa 150 Jahren einmal Hauptstadt der RD und wird auch heute noch als "segunda capital" ("Zweite Hauptstadt") beschrieben. Mitunter sieht man sich selbst vor Ort auch als die "wahre" Hauptstadt an und sagt, dass hier das Geld verdient werde, dass man im Süden in Santo Domingo (Regierungssitz) dann ausgebe/ verschleudere. Trotzdem schielt man - der Großwesir -  natürlich immer in den Süden auf den dicken Kalifen Santo Domingo, wo der kulturelle und administrative Takt vor gegeben wird.



Santiago ist flächenmäßig relativ groß und in vielem ganz anders als Santo Domingo, etwa in Sachen Verkehr, der hier viel besser organisiert ist und funktioniert.

Überhaupt ist Santiago wenig touristisch geprägt, so dass einem die üblichen Begleiterscheinungen etwas erspart bleiben, was durch die eher zurückhaltende Art der Cibaeños (Bewohner des Cibao) noch angenehm unterstrichen wird. Auf eine Abstammung aus dem Cibao ist man überhaupt auch anderswo gerne mal stolz und verweist mit Wohlgefallen darauf.


Nicht zuletzt wird Santiago im Lande dafür gelobt, dass es angeblich die schönsten Frauen der RD beherberge - ein Fazit, das ich nach meiner Kenntnis durchaus bestätigen möchte. Interessenten machen sich aber darauf gefasst, das die Damenwelt hier mitunter ganz anders ist als man es aus den Touristenhochburgen kennt, nämlich allgemein deutlich kühler, zurückhaltender und dezenter. Ich finde: Rundum angenehmer. "Dominikanisch" geht es aber natürlich trotzdem zu.



Zentrales Wahrzeichen Santiagos ist das 67 Meter hohe "Monumento A Los Heroes De La Restauración", das der geliebte Diktator Trujillo - von dem in einem anderen Post noch genauer zu sprechen sein wird - im Jahre 1944 zur Ehrung der Volkshelden, die die Wiederunabhängigkeit von Spanien erfochten, errichten ließ.




Eigentlicher Name des Bauwerks war seinerzeit klangvoll "Trujillos Friedensdenkmal" und Mister T. hatte vermutlich auch eher im Sinn, sich selbst zu ehren und ein Denkmal zu setzen, aber es macht sich natürlich immer gut, den eigenen Weihen diejenigen anderer Heroen hinzu zu fügen. Sei es, wie es sei, 1961 (nach der gewaltsamen Abdankung/ Ermordung Trujillos) wurde es auch offiziell in "Monumento A Los Heroes De La Restauración" umbenannt.










Links - Unnachahmlich dominikanisch: Das Monumento ist gesäumt von Stauen der Helden - natürlich. Drinnen finden sich aber auch Brocken einiger Statuen, die aus unbekannten Gründen in Fetzen sind. Diese sind nur notdürftig zur Seite geräumt und dann wohl vergessen worden. Ob dieser Eindruck gewollt ist?





Das "Monumento" (so sagen die Einwohner kurz) eignet sich sehr gut zur Orientierung, da es hoch oben auf einem Hügel thront und daher von nahezu überall in der Stadt gut sichtbar ist. Zudem beherbergt es ein kleines Museum und bietet von oben einen tollen Ausblick auf Santiago.



Dazu ist es Treffpunkt von Einheimischen, Touristen, Verliebten und Nachts, gerade am Wochenende, ein Schwerpunkt der Abendgestaltung.



Es sitzen bei gutem Wetter die Bewohner draußen, flanieren, trinken und feiern. Man kann Kleinigkeiten essen oder mit einer der köstlichen kitschigen Kutschen eine Rundfahrt machen. Einige Ausschnitte:
Nachts ist am Monumento was los. Mein Tipp: Probieren Sie dort die "Empanadas Monumental" - eine
Seltenheit, da mit Pizzageschmack. Außerdem hat der Besitzer freundlicherweise
davon abgesehen, auch seine Preise monumental zu gestalten
Buntes Treiben am Monumento:
Links: Jedes Mal am Monumento laden mich (dort herum lungernde) Schülergruppen ein, mich zu ihnen
zu setzen. Sie sind immer gut gelaunt, wollen etwas über Europa erfahren und ihr Englisch testen.
- Mitte: Die Herren wollen mich nicht fest nehmen, sondern nur ein gemeinsames Foto machen
- Rechts: Die Familie Ezequiel aus Monte Christi genießt auf ihrem Ausflug nach Santiago die Nacht am Monumento

Die genannten Hotels: Die Dame am Balkon (Mitte rechts) will
nichts heißen, trotz des verzweifelten Eindrucks
Unten: Das "Colonial" ist schlicht, aber wenigstens bekomme
ich immer meine Lieblingsbettwäsche


Wo könnte man wohnen, will man Santiago besuchen? Gut und günstig sind meiner Erfahrung nach drei neben einander liegende Hotels in der Straße "Salvador Cucurullo" - die aber keiner (vor allem kein Taxifahrer) kennt. Fragen Sie lieber nach der Straße/ Calle "30 de Marzo".

Zu diesen drei Hotels gehören das "Hotel Colonial" (Touristenklasse), "Hotel De Luxe" (obere Touristenklasse) und "De Lux(e) 2o" (gehoben, wenngleich namensmäßig unklar). Alle drei sind annehm- und bezahlbar, halbwegs sauber, bieten Abanico (Ventilator), gegen Aufpreis auch Aire ("Klimaanlage"), WiFi und sind verkehrstechnisch gut gelegen in der Nähe des Kommerzviertels.



Kleinkram in Hotelnähe:

Sehr gerne frühstücke ich in der nahen Panadería ("Bäckerei") Reyes. Probieren Sie dort die Sandwiches (warm machen lassen).

Die noch näher gelegenen chinesischen Picca-Pollos (s. diesen Post) sind brauchbar, aber oftmals sehr unfreundlich - Daumen runter. Einer dieser Buden bietet übrigens im Nebenraum auch eine Spelunkenwirtschaft, wie man sie sonst nur vom Gasthaus zum Schwarzen Keiler/ Awenturien kennt. Dort treffen sich in düsterer Animierbeleuchtung und verrauschter Musikkulisse allerlei Säufer, ausrangierte Bardamen mit knapper Haushaltskasse, Verrückte und verlorene Seelen aller Art auf ein oder mehrere Bierchen. Ein Gruselkabinett, bei dem man nichts verpasst, wenn man es aus lässt.



Besser dagegen der bis Mitternacht geöffnete mobile Hot-Dog-Stand direkt gegenüber. Der hat zwar selten alles vorrätig, ist aber nett und günstig (auch lecker) und bietet kostenloses Baseballfernsehen an der Straße. Das nutzen die Anwohner und sitzen dort zusammen, wobei sie lautstark die Matches kommentieren. Und zwar so laut, dass ich Nachts aus dem Schlaf hoch fahrend schon mal von einer Massenschlägerei mit Schusswaffengebrauch vor dem Hotel aus ging (ein Trugschluss - es war in Wahrheit eine strittige Schiedsrichterentscheidung beim Baseball).


Zurück zum Wichtigen und Sehenswerten:

In Santiago gibt es den hübschen Parque Duarte, in dem Wochenends die Kapelle der - wie süß - Stadtverwaltung auf spielt.
Einer der großen Staatsgründer ist Namensgeber des Parks: Juan Pablo Duarte.
Im Park selbst flanieren und chillen vor allem Horden haitianischer Schuhputzjungs;
Mitte links und unten rechts: Die für fast alles Parks hier typische Kiosco ("Pavillion")
Gegenüber des Parks liegt die "Gobernación" (Stadtverwaltung)

Direkt daran liegt außerdem der Palacio Consistorial, das Rathaus, das auch einmal Trujillos gehörte. Seine ehemals davor befindliche Statue entieht sich aber einem Foto ... musste sie doch dem üblichen Bildersturm nach Machtwechsel weichen. Heute befindet sich in dem hübschen Haus im arabisch-spanischen Stil ein Domino- und Billardclub sowie eine Ballettschule.

Eindrücke aus dem Haus; Rechts unten ist noch der original Schuhputzsessel Trujillos zu sehen (und benutzbar),
auf dem sich auch andere Diktatoren noch sehr wohl fühlen (2. Bild)

Direkt nebenan liegt die 1895 erbaute Kirche Catedral Santiago Apóstol, die sehr interessant gearbeitete Türen hat und nachts herrlich beleuchtet ist:


Drinnen wurde auch offenbar aufwändig restauriert. Man sieht ua Ehrungen zu Gunsten bedeutender Spender und eine Ehrenhalle ("Capilla De Los Inmortales"/ "Kapelle der Unsterblichen") für bedeutende Persönlichkeiten der RD:






Wenn man ein wenig sucht, findet man außerdem das Grab des Ulises Heureaux, seines Zeichens ehemaliger General, mehrmaliger Präsident der RD und Diktator***.


Wie so oft, war sein "Wirken" facettenreich. Es umfasste zB einerseits die Elektrifizierung von Santo Domingo, den Bau einer Brücke über den Ozama, den Bau von Eisenbahnverbindungen, die Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards und des Wirtschaftswachstums.

Auf der anderen Seite blühten aber auch persönliche Bereicherung, Günstlingswirtschaft, Korruption, die Ausschaltung der politischen Opposition, Scheinwahlen, Missachtung von Bürgerrechten und es wurde ein horrendes Staatsdefizit auf getürmt. Immerhin scheint er aber kinderlieb gewesen zu sein und hinterließ 12 Kinder mit verschiedenen Frauen.

Um 1899 war seine Regierung dann faktisch bankrott, was schließlich in ein Aufbegehren der (mächtigen) Tabakhändler des Cibao gegen ihn mündete. Kurz darauf wurde Ulises sodann im nahen Moca auf Veranlassung eines seiner Gegner erschossen (ermordet?), wobei der Gedenkstein sybillinisch von "hingerichtet" ("ajusticiado") spricht.


Interessant zu besuchen ist auch die in der Nähe gelegene Festung "Fortaleza San Luis", in der 1844 die Unabhängigkeit Santiagos von Haití verkündet wurde und die danach auch eine Zeit als Gefängnis diente:


Heute befindet sich im safrangelben Inneren eine Künstlerschule ("Escuela De Artes") und ein nettes kleines Museum ("Museo Cultural"). Darin würfeln sich dominikanisch-wild neuzeitliche Kunstwerke, alte Waffen und Munition, prähistorische- und Taíno-Funde und ... Tabakwerbeerzeugnisse.

Was ist was? Rechts ein Säbelzahntigerkopf (wegen Größenvergleich mit Mütze - gut, dass alle Wachen ein Mittagsschläfchen zu halten scheinen); links unten: In Toilettennähe eine vergessene Ché-Büste (was immer die hier soll) und daneben ein schweres Maschinengewehr Browning M1917, Kaliber 30 (immer wichtig zu wissen)

Links oben der Turm der Festung, der als Wahrzeichen dient; unten ein org. Taíno-Fundstück (Cemies  -
s. Post "Es war einmal der Mensch"); Daneben: Zigarettenwerbung der 50er Jahre sowie - da lacht der
Sensenmann - ein weiteres Browning-Maschinengewehr, Kaliber 30; darüber div. Munition diverser
Kaliber, Nebelkerze, Mörsergranate usw.

Weiter beherbergt die Fortaleza verschiedene Polizeidienststellen, zB die "Direccion Nacional De Control De Drogas" (Abteilung Ameisenhandel), das/ ein Ministerium der Streitkräfte sowie eine Zulassungsstelle für die örtlichen Motoconchos (rechts):



Außerdem noch eine Art Autofriedhof, der mir doch einen etwas zwiespältigen Eindruck hinsichtlich der Einsatzbereitschaft der Dienstfahrzeuge vermittelt:



Ach ja, außerdem gibt's noch eine Ausstellung der empfohlenen Schwergeräte aus dem Selbsthilfebuch "10 Steps To A Perfect Vorwärtsverteidigung":



Nette Kleinigkeiten am Rande:

Links: Die Gärtner nutzen in der Festung die Höhe des Lasters, um
sich mit frischen grünen Mangos ein zu decken
Rechts: Büste von Anacaona - erinnern Sie sich?


______________________

* Köstlich: Die Pferde und Waffen der Herren sollen von Diego und Bartolome Kolumbus requiriert worden und die 30 
   Caballeros zu körperlicher Arbeit angehalten worden sein. Nachvollziehbarerweise war dies unter ihrer ritterlichen 
   Würde, weshalb sie nach der Rückkehr nach Spanien eine formelle Beschwerde an den König richteten, der sie dafür 
   entschädigte.

** Weitere Quellen: SRTM3, ETOPO1, VMAP0, http://www.one.gob.do
    http://lib.utexas.edu/maps/dominican_republic.html.

*** Quellen (ua): engl. Wikipediaspan. Wikipedia.



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