"Ich will Kalif werden anstelle des Kalifen" (Isnogud) - (I)


Santiago de los Caballeros, Die Erste



(Quelle: Eigenes Werk, Alexrk2/Wikipedia/**)

Begleiten Sie mich heute einmal in die zweitgrößte Stadt der RD, Santiago de Los Caballeros, die zu gleich Provinzhauptstadt der Region Santiago ist. Diese von mir sehr geschätzte Stadt liegt im Norden der RD im schon erwähnten Cibao-Tal.

Der Name der Stadt lautet eigentlich "Santiago De Los Treinta Caballeros", in Bezug auf 30 spanische Edelleute/ Ritter, die sich dort in der Nähe um 1500 aufhielten*. Damit ist dieses Santiago (es gibt in Lateinamerika mehrere) das "eigentliche" und "erste Santiago" der neuen Welt.


Santiago hat heute ungefähr eine Million Einwohner und eine wechselvolle Geschichte mit diversen Zerstörungen hinter sich.

Die Stadt war vor etwa 150 Jahren einmal Hauptstadt der RD und wird auch heute noch als "segunda capital" ("Zweite Hauptstadt") beschrieben. Mitunter sieht man sich selbst vor Ort auch als die "wahre" Hauptstadt an und sagt, dass hier das Geld verdient werde, dass man im Süden in Santo Domingo (Regierungssitz) dann ausgebe/ verschleudere. Trotzdem schielt man - der Großwesir -  natürlich immer in den Süden auf den dicken Kalifen Santo Domingo, wo der kulturelle und administrative Takt vor gegeben wird.



Santiago ist flächenmäßig relativ groß und in vielem ganz anders als Santo Domingo, etwa in Sachen Verkehr, der hier viel besser organisiert ist und funktioniert.

Überhaupt ist Santiago wenig touristisch geprägt, so dass einem die üblichen Begleiterscheinungen etwas erspart bleiben, was durch die eher zurückhaltende Art der Cibaeños (Bewohner des Cibao) noch angenehm unterstrichen wird. Auf eine Abstammung aus dem Cibao ist man überhaupt auch anderswo gerne mal stolz und verweist mit Wohlgefallen darauf.


Nicht zuletzt wird Santiago im Lande dafür gelobt, dass es angeblich die schönsten Frauen der RD beherberge - ein Fazit, das ich nach meiner Kenntnis durchaus bestätigen möchte. Interessenten machen sich aber darauf gefasst, das die Damenwelt hier mitunter ganz anders ist als man es aus den Touristenhochburgen kennt, nämlich allgemein deutlich kühler, zurückhaltender und dezenter. Ich finde: Rundum angenehmer. "Dominikanisch" geht es aber natürlich trotzdem zu.



Zentrales Wahrzeichen Santiagos ist das 67 Meter hohe "Monumento A Los Heroes De La Restauración", das der geliebte Diktator Trujillo - von dem in einem anderen Post noch genauer zu sprechen sein wird - im Jahre 1944 zur Ehrung der Volkshelden, die die Wiederunabhängigkeit von Spanien erfochten, errichten ließ.




Eigentlicher Name des Bauwerks war seinerzeit klangvoll "Trujillos Friedensdenkmal" und Mister T. hatte vermutlich auch eher im Sinn, sich selbst zu ehren und ein Denkmal zu setzen, aber es macht sich natürlich immer gut, den eigenen Weihen diejenigen anderer Heroen hinzu zu fügen. Sei es, wie es sei, 1961 (nach der gewaltsamen Abdankung/ Ermordung Trujillos) wurde es auch offiziell in "Monumento A Los Heroes De La Restauración" umbenannt.










Links - Unnachahmlich dominikanisch: Das Monumento ist gesäumt von Stauen der Helden - natürlich. Drinnen finden sich aber auch Brocken einiger Statuen, die aus unbekannten Gründen in Fetzen sind. Diese sind nur notdürftig zur Seite geräumt und dann wohl vergessen worden. Ob dieser Eindruck gewollt ist?





Das "Monumento" (so sagen die Einwohner kurz) eignet sich sehr gut zur Orientierung, da es hoch oben auf einem Hügel thront und daher von nahezu überall in der Stadt gut sichtbar ist. Zudem beherbergt es ein kleines Museum und bietet von oben einen tollen Ausblick auf Santiago.



Dazu ist es Treffpunkt von Einheimischen, Touristen, Verliebten und Nachts, gerade am Wochenende, ein Schwerpunkt der Abendgestaltung.



Es sitzen bei gutem Wetter die Bewohner draußen, flanieren, trinken und feiern. Man kann Kleinigkeiten essen oder mit einer der köstlichen kitschigen Kutschen eine Rundfahrt machen. Einige Ausschnitte:
Nachts ist am Monumento was los. Mein Tipp: Probieren Sie dort die "Empanadas Monumental" - eine
Seltenheit, da mit Pizzageschmack. Außerdem hat der Besitzer freundlicherweise
davon abgesehen, auch seine Preise monumental zu gestalten
Buntes Treiben am Monumento:
Links: Jedes Mal am Monumento laden mich (dort herum lungernde) Schülergruppen ein, mich zu ihnen
zu setzen. Sie sind immer gut gelaunt, wollen etwas über Europa erfahren und ihr Englisch testen.
- Mitte: Die Herren wollen mich nicht fest nehmen, sondern nur ein gemeinsames Foto machen
- Rechts: Die Familie Ezequiel aus Monte Christi genießt auf ihrem Ausflug nach Santiago die Nacht am Monumento

Die genannten Hotels: Die Dame am Balkon (Mitte rechts) will
nichts heißen, trotz des verzweifelten Eindrucks
Unten: Das "Colonial" ist schlicht, aber wenigstens bekomme
ich immer meine Lieblingsbettwäsche


Wo könnte man wohnen, will man Santiago besuchen? Gut und günstig sind meiner Erfahrung nach drei neben einander liegende Hotels in der Straße "Salvador Cucurullo" - die aber keiner (vor allem kein Taxifahrer) kennt. Fragen Sie lieber nach der Straße/ Calle "30 de Marzo".

Zu diesen drei Hotels gehören das "Hotel Colonial" (Touristenklasse), "Hotel De Luxe" (obere Touristenklasse) und "De Lux(e) 2o" (gehoben, wenngleich namensmäßig unklar). Alle drei sind annehm- und bezahlbar, halbwegs sauber, bieten Abanico (Ventilator), gegen Aufpreis auch Aire ("Klimaanlage"), WiFi und sind verkehrstechnisch gut gelegen in der Nähe des Kommerzviertels.



Kleinkram in Hotelnähe:

Sehr gerne frühstücke ich in der nahen Panadería ("Bäckerei") Reyes. Probieren Sie dort die Sandwiches (warm machen lassen).

Die noch näher gelegenen chinesischen Picca-Pollos (s. diesen Post) sind brauchbar, aber oftmals sehr unfreundlich - Daumen runter. Einer dieser Buden bietet übrigens im Nebenraum auch eine Spelunkenwirtschaft, wie man sie sonst nur vom Gasthaus zum Schwarzen Keiler/ Awenturien kennt. Dort treffen sich in düsterer Animierbeleuchtung und verrauschter Musikkulisse allerlei Säufer, ausrangierte Bardamen mit knapper Haushaltskasse, Verrückte und verlorene Seelen aller Art auf ein oder mehrere Bierchen. Ein Gruselkabinett, bei dem man nichts verpasst, wenn man es aus lässt.



Besser dagegen der bis Mitternacht geöffnete mobile Hot-Dog-Stand direkt gegenüber. Der hat zwar selten alles vorrätig, ist aber nett und günstig (auch lecker) und bietet kostenloses Baseballfernsehen an der Straße. Das nutzen die Anwohner und sitzen dort zusammen, wobei sie lautstark die Matches kommentieren. Und zwar so laut, dass ich Nachts aus dem Schlaf hoch fahrend schon mal von einer Massenschlägerei mit Schusswaffengebrauch vor dem Hotel aus ging (ein Trugschluss - es war in Wahrheit eine strittige Schiedsrichterentscheidung beim Baseball).


Zurück zum Wichtigen und Sehenswerten:

In Santiago gibt es den hübschen Parque Duarte, in dem Wochenends die Kapelle der - wie süß - Stadtverwaltung auf spielt.
Einer der großen Staatsgründer ist Namensgeber des Parks: Juan Pablo Duarte.
Im Park selbst flanieren und chillen vor allem Horden haitianischer Schuhputzjungs;
Mitte links und unten rechts: Die für fast alles Parks hier typische Kiosco ("Pavillion")
Gegenüber des Parks liegt die "Gobernación" (Stadtverwaltung)

Direkt daran liegt außerdem der Palacio Consistorial, das Rathaus, das auch einmal Trujillos gehörte. Seine ehemals davor befindliche Statue entieht sich aber einem Foto ... musste sie doch dem üblichen Bildersturm nach Machtwechsel weichen. Heute befindet sich in dem hübschen Haus im arabisch-spanischen Stil ein Domino- und Billardclub sowie eine Ballettschule.

Eindrücke aus dem Haus; Rechts unten ist noch der original Schuhputzsessel Trujillos zu sehen (und benutzbar),
auf dem sich auch andere Diktatoren noch sehr wohl fühlen (2. Bild)

Direkt nebenan liegt die 1895 erbaute Kirche Catedral Santiago Apóstol, die sehr interessant gearbeitete Türen hat und nachts herrlich beleuchtet ist:


Drinnen wurde auch offenbar aufwändig restauriert. Man sieht ua Ehrungen zu Gunsten bedeutender Spender und eine Ehrenhalle ("Capilla De Los Inmortales"/ "Kapelle der Unsterblichen") für bedeutende Persönlichkeiten der RD:






Wenn man ein wenig sucht, findet man außerdem das Grab des Ulises Heureaux, seines Zeichens ehemaliger General, mehrmaliger Präsident der RD und Diktator***.


Wie so oft, war sein "Wirken" facettenreich. Es umfasste zB einerseits die Elektrifizierung von Santo Domingo, den Bau einer Brücke über den Ozama, den Bau von Eisenbahnverbindungen, die Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards und des Wirtschaftswachstums.

Auf der anderen Seite blühten aber auch persönliche Bereicherung, Günstlingswirtschaft, Korruption, die Ausschaltung der politischen Opposition, Scheinwahlen, Missachtung von Bürgerrechten und es wurde ein horrendes Staatsdefizit auf getürmt. Immerhin scheint er aber kinderlieb gewesen zu sein und hinterließ 12 Kinder mit verschiedenen Frauen.

Um 1899 war seine Regierung dann faktisch bankrott, was schließlich in ein Aufbegehren der (mächtigen) Tabakhändler des Cibao gegen ihn mündete. Kurz darauf wurde Ulises sodann im nahen Moca auf Veranlassung eines seiner Gegner erschossen (ermordet?), wobei der Gedenkstein sybillinisch von "hingerichtet" ("ajusticiado") spricht.


Interessant zu besuchen ist auch die in der Nähe gelegene Festung "Fortaleza San Luis", in der 1844 die Unabhängigkeit Santiagos von Haití verkündet wurde und die danach auch eine Zeit als Gefängnis diente:


Heute befindet sich im safrangelben Inneren eine Künstlerschule ("Escuela De Artes") und ein nettes kleines Museum ("Museo Cultural"). Darin würfeln sich dominikanisch-wild neuzeitliche Kunstwerke, alte Waffen und Munition, prähistorische- und Taíno-Funde und ... Tabakwerbeerzeugnisse.

Was ist was? Rechts ein Säbelzahntigerkopf (wegen Größenvergleich mit Mütze - gut, dass alle Wachen ein Mittagsschläfchen zu halten scheinen); links unten: In Toilettennähe eine vergessene Ché-Büste (was immer die hier soll) und daneben ein schweres Maschinengewehr Browning M1917, Kaliber 30 (immer wichtig zu wissen)

Links oben der Turm der Festung, der als Wahrzeichen dient; unten ein org. Taíno-Fundstück (Cemies  -
s. Post "Es war einmal der Mensch"); Daneben: Zigarettenwerbung der 50er Jahre sowie - da lacht der
Sensenmann - ein weiteres Browning-Maschinengewehr, Kaliber 30; darüber div. Munition diverser
Kaliber, Nebelkerze, Mörsergranate usw.

Weiter beherbergt die Fortaleza verschiedene Polizeidienststellen, zB die "Direccion Nacional De Control De Drogas" (Abteilung Ameisenhandel), das/ ein Ministerium der Streitkräfte sowie eine Zulassungsstelle für die örtlichen Motoconchos (rechts):



Außerdem noch eine Art Autofriedhof, der mir doch einen etwas zwiespältigen Eindruck hinsichtlich der Einsatzbereitschaft der Dienstfahrzeuge vermittelt:



Ach ja, außerdem gibt's noch eine Ausstellung der empfohlenen Schwergeräte aus dem Selbsthilfebuch "10 Steps To A Perfect Vorwärtsverteidigung":



Nette Kleinigkeiten am Rande:

Links: Die Gärtner nutzen in der Festung die Höhe des Lasters, um
sich mit frischen grünen Mangos ein zu decken
Rechts: Büste von Anacaona - erinnern Sie sich?


______________________

* Köstlich: Die Pferde und Waffen der Herren sollen von Diego und Bartolome Kolumbus requiriert worden und die 30 
   Caballeros zu körperlicher Arbeit angehalten worden sein. Nachvollziehbarerweise war dies unter ihrer ritterlichen 
   Würde, weshalb sie nach der Rückkehr nach Spanien eine formelle Beschwerde an den König richteten, der sie dafür 
   entschädigte.

** Weitere Quellen: SRTM3, ETOPO1, VMAP0, http://www.one.gob.do
    http://lib.utexas.edu/maps/dominican_republic.html.

*** Quellen (ua): engl. Wikipediaspan. Wikipedia.



Domino-Theorie

Das dominikanische Skat im Rampenlicht



Viele Dominikaner, insbesondere die Männer, haben eine besondere Vorliebe. Na, ja, eigentlich mehrere ... zB Bier, Damengesellschaft und laute Musik. Ganz weit oben im Listenplatz rangiert aber mit einer Sonderstellung das Domino-Spiel (span.: Dominó), das ich dem Leser heute einmal vorstellen möchte.

Das Domino der RD/ Südamerikas hat nur wenig mit kleinen bunten Plättchen zu tun und nichts mit ihrem stundenlangen Aufstellen, um sie dann in einer Kettenreaktion um zu werfen. Das "echte" Domino ist eher die lateinamerikanische Variante* des Skatspiels und hochinteressant.



Wie spielt man aber Domino in der RD?

Domino spielen Jung und Alt,
Männlein & Weiblein

Grundsätzlich wird Domino zu viert gespielt (Variante "clásico"), es gibt aber auch Abwandlungen für drei und zwei Spieler. Wir konzentrieren uns hier auf die übliche 4-Spieler-Variante.








Man verwendet ein Dominospiel mit 28 Spielsteinen ("Fichas"), die ungefähr wie folgt aussehen:

Links die Fichas in der Übersicht - sie werden allerdings in der
Realität nie "so" aufgebaut.
Rechts: Verkaufsbereite Dominosets "Double Six" für Touristen

Die Fichas haben zwei Seiten. Eine ist zweigeteilt und hat - wie ein Würfel - jeweils zwei getrennte Augenwerte drauf, allerdings von 0 bis 6.  Die Rückseite ist bei allen Fichas gleich und meist (bei den Nicht-Touristenversionen) neutral oder mit einer Bierwerbung beschriftet, hier die Biermarke "Presidente". Der Metallknopf in der Mitte der Zahlenseite ist übrigens ein Zeichen für ein höherwertig verarbeitetes Spiel und dient dazu, die Fichas leichter umdrehen zu können, da sie durch den Knopf nicht ganz plan aufliegen.


Man spielt, wenngleich nicht notwendigerweise, meist an einem extra dafür hergestellten Domino-Tisch, der wegen der engen Verbindung gleich eine Bierwerbung, hier wieder des Platzhirsches "Presidente", mitbringt:

Wozu mögen die Löcher an den Tischkanten dienen? Ganz einfach: Sie sind die dominikanische Version eines
Cupholders, in die man die Bierbecher stellen kann

Nebenbei: Tische und Ficha-Sets kann man an vielen Colmados als Service umsonst aus leihen, die so ihre Bier-konsumierenden Kunden unterhalten und binden wollen.


Zunächst werden alle 28 Fichas umgedreht und sorgfältig mit einer überlappenden Drehbewegung der Hände von rechts nach links gemischt ("enbarajar").










Mein Gringo-Mischen stößt bei aller Mühe und Eleganz auf wenig Vertrauen (völlig unberechtigt), so das zumeist ein dominikanischer Spieler nachmischt. Dann werden die Fichas so verteilt (und auch aktiv gegrabscht), dass jeder Spieler 7 Stück hat, die er geheimnisvoll und nur für ihn sichtbar in einer Halterung des Tisches ("tablita") aufbaut:


Expertentipp am Rande: Die Fichas nicht sortieren! Sehr erfahrene Gegner
können anhand Ihrer Sortierung und wie Sie dann spielen sonst ablesen,
welche Fichas Sie vermutlich haben, was es unbedingt zu vermeiden gilt.

Gespielt wird dann beim üblichen 4er-Spiel in zwei Teams, wobei die mit einander spielenden Spieler sich gegenüber sitzen:

Es spielt also hier Rot mit Weiß im Team und Blau mit Schwarz
- raten Sie, zu welchem Team der Herr im Hintergrund mit der Mütze hält ...

Ziel des Spiels ist es nun, dass es einem Spieler eines der Teams gelingt, alle seine (7) Steine aus zu legen, womit dieses Team die Runde gewinnt.

Das Spiel beginnt:

In der allerersten Runde beginnt der Spieler, der nach dem Mischen die Ficha Doppel-6 ("6-6") hat, in den nachfolgenden Runden darf der jeweils der Gewinner der Vorrunde beginnen. Gehen wir im nachfolgenden Beispiels einmal davon aus, dass der Starter - wie häufig zu sehen - ein "Dickschiff" los werden will und daher mit dem Auslegen der Doppel-6 beginnt.

Der rechts von ihm sitzende Spieler (also einer des gegnerischen Teams) darf danach anlegen. Das geht aber nur, wenn er auch eine Ficha mit einer "6" drauf hat. Hat er mehrere solcher Fichas (im Spiel vorhanden sind dann ja noch sechs davon), kann er auswählen, welche davon er an welcher Seite anlegen will. Ein guter Spieler wird dabei eine Strategie verfolgen wollen, die es ihm und seinem Teamkollegen ermöglicht, die eigenen Steine anzulegen, während das Auslegen der Fichas des gegnerischen Teams blockiert oder mindestens gehemmt wird. Dazu ist natürlich wichtig, welche andere Augenzahlen seine 6er aufweisen.

Der Starter hat die 6-6 gelegt, der erste Spieler des
gegnerischen Teams die 6-5

Die Fichas mit zwei gleichen Augenzahlen darauf ("Dobles") werden übrigens - der leichteren Erkennbarkeit wegen - immer quer gelegt.

Dann darf der nächste - dritte - Spieler anlegen, also der gegenüber dem Starter sitzende Spieler, der zugleich zweiter Mann dieses Teams ist. Er könnte nach Fotobeispiel jetzt jede Ficha mit einer 6 oder einer 5 aus spielen. In unserem Spiel hat er mehrere passende Steine in seiner tablita zur Auswahl und entscheidet sich für eine 6-1, die er links anlegt. Dies muss er auch, da ein Anlegen rechts ("6 an 5") ein verbotener Zug ("Chiva" - "Geiß/ Ziege") wäre ... und zudem zeigen würde, dass der Spieler nicht einmal die einfachste Grundregel des Spiels beherrscht oder ein besonders abgefeimter Betrüger ist:

Der dritte Spieler hat links die 6-1 an gelegt; rechts hätte er nur eine
Ficha mit einer 5 anlegen können

Aus der Reaktion und der von ihm angelegten Ficha kann/ soll der Teamkollege (hier also: Der Starter) dann ablesen, welche Fichas sein Mitspieler besitzt und wie das Spiel ablaufen soll. Gleiches gilt für die vom gegnerischen Team gelegten Steine, da man daraus dessen Strategie ablesen und eigene "Gegenmaßnahmen" einleiten kann. Beispielhaft lässt sich hier bereits ablesen, dass nur noch 4 Fichas mit einer 6 im Spiel sein können und dass sich das Starter-Team bzw. dessen zweiter Spieler vermutlich ein Spiel auf Basis der 1 wünscht, also vermutlich mehrere 1er-Fichas auf der Hand hat.

Hier hat Spieler Nr. 4 rechts die 5-4 angelegt und zeigt vermutlich an,
dass er sich ein Spiel auf 4er wünscht. Möglicherweise hat er davon viele.

Interessant wird es, wenn der ein Spieler mehrere passende Fichas hat, denn dann kann eine Strategie entwickeln und verfolgen. Hat er keinen passende Ficha, klopft ("tocar") er kurz auf Brett, was anzeigt, dass er "passen" ("pasar") muss - ein Nachteil für das Team, kann es doch keinen Stein ablegen und gerät ins Hintertreffen. Zugleich ist damit für das andere Team klar, dass dieser Spieler keine passende Ficha (zB  eine mit einer 5er Augenzahl) besitzt, was eine offene Flanke dar stellt. Das gegnerische Team wird in einem solchen Fall versuchen, in der nächsten Runde eine gleiche Lage zu schaffen, also eine Konstellation her zu stellen, dass der Spieler (zB wieder) eine 5 anlegen müsste, was er aber (wieder) nicht kann. Damit ist der Vorsprung vergrößert und ein weiterer Schritt auf der Siegstraße beschritten.


Na..? Kratzt's am Fuß oder wird da gerade ein dezenter Hinweis gegeben?
Man sagt hier, dass das Spiel von einem Stummen erfunden wurde, was bedeutet, dass sich die Teamkameraden nicht über Ihre jeweiligen Steine austauschen dürfen.

Um das zu umgehen, gibt es natürlich 1000+1 Tricks, dem Kameraden kleine Hinweise zu geben, welche Fichas man selbst hat, damit die Strategie klar wird.



Eine kleine Auswahl aus dem Schmuh- und Schummelfundus: So kann man etwa unterschiedlich lange überlegen (zeigt, dass man mehrere passende Steine hat/ legaler "Trick") oder wenn man dran ist den Stein sofort hart aufs Brett klatschen ("Ich kann nur diese ficha spielen!"/ auch legal), vielsagende Blicke tauschen, Gesten zeigen ("Zweimal Kratzen an der Nase gleich die Doppel-5") oder Codewörter benutzen. Immer zu bedenken: Das gegnerische Team sieht dies aber ggf. auch. Beobachtet man selbst solche Hinweise, bedenke man außerdem, dass es sich auch um eine Finte handeln könnte. Klar auch: Mitspieler, die sich untereinander und ihre jeweiligen Spielweisen und Codes gut kennen sind klar im Vorteil. Gegen ein solches Team von "Tiburones" ("Haien") sind Neulinge gänzlich chancenlos - Vorsicht also, wenn Sie hoffen, Ihre Urlaubskasse per Dominospiel auffüllen zu können.


Domino ist natürlich eine Wissenschaft für sich und Lebensaufgabe, die unter anderem darauf beruht, den Überblick zu behalten, welche Steine bereits von wem gespielt wurden, welche daher noch im Spiel sein müssen, wer sie vermutlich hat und wie man daraus eine Strategie macht**.

Dieses Spiel ist schon weiter fort geschritten; guter Spieler haben
sich gemerkt, wer welche Ficha an gelegt hat und bauen darauf
ihre Strategie auf bzw. lesen die der Gegenseite

Es ergibt sich dann im Laufe des Spiels ein typisches Bild auf dem Tisch, dass etwa so aussehen könnte:

Da muss man sich schon konzentrieren, um den Überblick zu behalten; die lustige Schlangenform ist übrigens bedeutungslos und nur den Tischmaßen und der Übersichtlichkeit geschuldet - grundsätzlich könnte man auch
ohne Weiteres mit nur einer langen Linie spielen

Legt nun ein Spieler seine letzte Ficha an, ist diese Runde beendet.

Raten Sie mal, wer und welches Team gewonnen hat

Hier ein typischer Aufschreibezettel - mangels neutralem Schreiber
übernimmt das hier einer der Mitspieler
Die Augen der verbleibenden/ nicht gespielten Steine werden dann zusammen gezählt und auf einem Papier für das gewinnende Team addiert.

Die Aufteilung erfolgt in zwei Spalten "Nosotros" ("Wir" - aus Sicht des Schreibers***) und "Ustedes" ("Sie" - die Gegner). Erreichen sie nach einigen Runden ("Manos" - "Händen") eine zuvor vereinbarte Grenze, zB 200 Punkte, hat dieses Team das Spiel gewonnen. Zumeist müssen die Verlierer dafür dann die nächste Runde Bier ("Cerveza") bezahlen - die gesellige Variante****.


Eine Sondersituation ergibt sich, wenn kein Spieler mehr anlegen kann, also alle reihum einmal passen müssen. Das Spiel ist dann "trancado" (hier sagt man im Slang: "'ta trancao"*5*), also geblockt. Dann werden die Augen der verbleibenden Fichas der Spieler gezählt und das Team des Spielers mit der geringsten Augenzahl gewinnt - verfahren wird dann wie oben. "Trancao" kann damit ebenfalls Teil einer (perfiden) Strategie sein - und sorgt gerne für großen Wirbel ... gerade, wenn sich ein Mitspieler verrechnet hat und das hinterlistig heraus gespielte "Trancao" als Rohrkrepierer endet.

Interessant sind auch die Begleitumstände, etwa hitzige Debatten nach dem Spiel, welcher Teamkamerad den Verlust verbockt hat oder die wissenden Mienen und schlauen Tipps drumherum stehender Beobachter ("Mirones").


Die Doppel-6


Noch dazu: Wie beim Skat gibt es auch beim Domino einige lustige Ausdrücke, Bauernregeln und lokale Sonderregeln. So haben die Doppelsteine in Puerto Rico (und manchmal, aber seltener, hier in der RD) Namen: 6-6 wird "Vaca" ("Kuh") oder "Mula" ("Maultier") genannt, da sie dick und schwer an Punkten und manchmal sehr störrisch ist. Die Doppel 1 heißt mitunter "Los ojitos de Santa Lucía", also "Die Äuglein von Santa Lucía" für die zwei Augen der Schutzheiligen der Augenärzte.





Als Anfänger behalte man vor allem zunächst folgende zwei Spielprinzipen im Kopf, wenn man über sein Vorgehen zu entscheiden hat:

I. "Repite, mata y tranca" - "Wiederhole, töte und blocke"

- Bedeutet: Der Spieler soll an die "Farben", dh. Punktwerte, des eigenen Teams weiter verfolgen, die "Farben" des gegnerischen Teams "töten" bzw. abwürgen und ggf. das Spiel im richtigen Moment blockieren ("'tá trancao", s.o.).




II. Gemäß Lugo** (S. 24) gibt es drei "Gesetze" (die mir persönlich gut geholfen haben):

  1. Eigene starke "Farben" (dh. Punktwerte) entwickeln, also spielen oder dem Teamkameraden helfen, seine zu spielen (= 1. und wichtigstes Gesetz) - zB hat man selbst viele 1er, spiele man diese; spielt der Teamkamerad ersichtlich Fichas mit einer 4 drauf, hat er vermutlich mehrere davon und man helfe ihm, seine restlichen 4er aus zu legen.
  2. Die Entwicklung der "Farben" der Gegenseite verhindern (= 2. Gesetz; Anzuwenden, wenn es nicht im Gegensatz zur Anwendung des 1. "Gesetzes" steht) - zB möchte die Gegenseite ersichtlich die 4er spielen, hüte man sich, selbst 4er so aus zu legen, dass die Gegenseite ihre 4er an legen kann.
  3. Möglichst keine Farbe vollständig ausspielen/ aus der Hand geben (= Anzuwenden nur, wenn es nicht im Gegensatz zur Befolgung des 1. und 2. Gesetzes steht) - dies ist wichtig, damit man möglichst lange flexibel bleibt und nicht unnötig passen muss.
Hier dürften die 5er und 1er die starken Farben sein (nicht vergessen:
In der Realität nicht sortieren!)

Allgemein lohnt es sich auch, etwaige lokale Abwandlungen vor dem Spiel zu erfragen. So werden zB manchmal in der ersten Runde oder allgemein 25 oder 50 Punkte als Bonus für die Gegner notiert, wenn ein Spieler in der ersten Runde passen muss oder es wird (seltener) neu gemischt und verteilt, wenn ein Spieler 6 Doppelzahlsteine hat (da dann die Gewinnchancen für ihn minimal sind)*6*.


Hier mal ein kleines Video von anderthalb Runden echtem Spiel:


Für Ihr Repertoire hier noch zwei Sprüche - immer gut für einen Lacher und zum Abwürgen von Diskussionen:

"Estoy jugando con dos enemigos y un traidor" - "Ich spiele mit zwei Feinden und einem Verräter"
- Geeignet, um auszudrücken, dass der eigene Teamkamerad offenbar nicht im Sinne des eigenen Teams spielt. Aber bitte vorsichtig verwenden und mit dem richtigen Ton/ Augenzwinkern. Nicht, dass noch eine Schießerei oder Fehde produziert wird.

"Si mi abuela tuviera ruedas, fuera bicicleta" - "Wenn meine Oma Räder hätte, wäre sie ein Fahrrad"
- Gut zum Abwürgen von leidigen Diskussionen nach dem Spiel, wer wann welche Ficha hätte spielen soll oder müssen.

Aus meiner "Karriere": Links verliert Deutschland: 6-0 gegen Bolivien im 2er Domino - Mitte: Anfängerglück -
das Team RD-Deutschland gewinnt überlegen am Strand - Rechts: Mein Schlüsselanhänger 6-6 als Glücksbringer

Wer sich dafür interessiert, kann per Domino die Dominikaner und einen typischen Teil des hiesigen Lebens kennen lernen und gut Bekanntschaften schließen. Dies gilt selbst dann, wenn Sie anfängerhaft planlos spielen ("Poner fichas" - "Steine schmeißen") - richten Sie sich dann nur auf ordentlich Lehrgeld in Form von Bierzahlungen ein. Wenn Sie hingegen gut spielen, ist Ihnen sogar der Respekt der Gastgeber sicher*7*.


__________________

* Die Herkunft des Spiels ist unklar; vermutlich stammt es aus China und ist ungefähr 800 Jahre alt. Interessant finde ich 
   es, in Museen alte Fichas zB aus Knochen zu sehen. Diese sind herrlich krude gearbeitet und erstaunlich klein, etwa in   
   Größe eines Daumennagels, wohingegen die heute üblichen etwa die Größe eines Männerdaumens haben.

** Wer sich damit einmal genauer damit befassen möchte lese diese gute (englischsprachige) Literatur: Competitive 
   Dominoes: How To Play Like A Champion (Miguel Lugo), ISBN: 978-0806917931.

*** Ganz charmant: Mich hat man mal als "Gringo"-Team aufgenommen. Entweder kannte der Schreiber das "Ustedes" 
    nicht oder hielt mich dessen nicht für würdig

**** Wird "hart" um Geld gespielt - selten offen zu sehen - bleibt jeder Spaß und Ungenauigkeit außen vor. Kein 
    Wunder, wenn es um den Monatslohn oder "Haus und Hof" geht.

*5* Abermals eine sprachliche Besonderheit des dominikanischen Straßenspanisch: Eine Wortverkürzung durch 
    Weglassen des "d" - gibt's bei vielen Worten. Siehe auch das Foto oben der Souvenir-Dominosets, die diesen Ausdruck 
    als Rückenbeschriftung haben. Klar auch, dass das "'ta" ebenfalls verkürzt für "está" (sein/ es ist) steht.

*6* Auf meinen diesbezüglichen Hinweis - ich hatte 6 solche Gurken auf der Hand - hat man mir aber auch schon 
    freundlich erwidert, dass es hier üblich sei, erst ab 8 Doppelzahlen neu zu mischen. Wird also seltener vor kommen, 
    denn es gibt ja nur 7 Doppelte und man hat auch nur maximal 7 Steine auf der Hand.

*7* Wer Lust hat, sich einmal an einem Domino-Spiel zu versuchen, obwohl Mitspieler fehlen, oder vor einem Besuch 
    üben will, kann dies mit einer netten App für das IPad dennoch tun: Domino for IPad.





Es war einmal der Mensch ...


Geschichte der Ureinwohner Hispaniolas, der Taínos



Tausend Jahre sind ja bekanntlich ein Tag* ... und je mehr ich von der RD kennen lerne und hier schreibe, je mehr sehe ich, wie sehr sie immer noch geprägt ist von den Einflüssen ihrer Ureinwohner. Das interessiert mich und weckt mein immer latent vorhandenes Interesse an Geschichte. Mehr als Zeit, einmal die Anfänge des menschlichen Insellebens zu beleuchten.

Wie bereits in vorherigen posts angemerkt, liegt die RD ja auf der Insel Hispaniola, die die Ureinwohner "Kisqueya" oder "Ayití" nannten, was "wunderbares Land" und "gebirgiges Land" bedeutet.


Die Besiedlung der Insel (und der umliegenden) erfolgte gemäß heutiger Kenntnis ab etwa 3.000 v.Chr. und zwar vor allem aus dem Gebiet des heutigen Venezuela und anderen Bereichen Zentralamerikas heraus.

Das Ganze war eine beachtliche Leistung - man bedenke, dass diese Reisen in Holzkanus ohne nautische Instrumente, mit begrenzten Vorräten und über viele hundert Seemeilen erfolgten.


Die so angekommenen Taínos - was in ihrer Sprache soviel wie "gut" oder "edel" bedeutete - auf Hispaniola lebten in Stammesverbänden, denen jeweils ein sog. "Kazike" (König, Häuptling) vor stand. Zweit wichtigster Mann war der "Bohike" oder "Buhitio" (Schamane), der zusammen mit dem Kaziken die übernatürlichen Kräfte der Götter aus dem Himmel auf der Erde repräsentierte. Von diesen Kazikenreichen gab zur Zeit der Ankunft der Spanier fünf auf Hispaniola.


Die Taínos lebten eher beschaulich von der Jagd, der Fischerei und dem Ackerbau.

Sie kultivierten unter anderem Yuca, Mais, Batatas (Süßkartoffeln), Maní (Erdnüsse), Ananas, Bohnen, Aji (Paprika-/ Pfeffersorte) und Tabak.

Aus dem Yuca-Mehl bucken sie sog. Casabes, runde Fladen, die es auch heute noch in der RD gibt.

Die heute landestypischen Produkte Kaffee, Zuckerrohr und Kakao gab es übrigens damals noch nicht auf Hispaniola.



Rechts oben: Bild einer Taíno-Hütte
Links unten: Casabe

Sie wohnten in Dörfern mit Holzhäusern, die mit Pflanzenfasern und Palmblättern gedeckt waren. Nennenswerte Steinbauten errichteten sie nicht.

Hinsichtlich der Metallverarbeitung waren die Taínos auf Gold beschränkt - etwas, dass sich mancher Zeitgenosse heute sicher auch wünschen würde. Das Tragen desselben war jedoch nur den Kaziken vor behalten. Für ihre Werkzeuge, Waffen usw. nutzen sie hingegen (nur) gehärtetes Holz, Tierknochen, Schildkrötenpanzer und Steine.









Zudem pflegten die Taínos vielfältige Zerstreuungen, zB Tanz und Musik. Aber auch bereits ein Ballspiel ("Batú"), das auf einem Spielfeld ("Batey") von ca. 40 x 80 Metern vor dem Haus des jeweiligen Kaziken ausgetragen wurde. Gespielt wurde in zwei Teams von bis zu 30 Mitspielern (Männern und Frauen) und es galt, einen aus einer Gummimasse gefertigten, etwa 10 cm großen, Ball mit Hilfe der Schultern, Hüften usw. innerhalb des Batey in der Luft zu halten. Einzig die Hände durfte man nicht benutzen.

Dieses Volleyball-artige Spiel wurde innerhalb eines Stammes aber auch zwischen Stämmen ausgetragen wurde und diente dazu, die sozialen Bande untereinander zu festigen, konnte aber auch über das Schicksal eines Gefangenen, einen Disput oder eine Strafe entscheiden. So wurden die Spieler wochenlang zuvor trainiert und mussten Diät halten, um am Tage des Spiels in Bestform zu sein.

Org. Foto von Dirk Bakker (Museo del
Hombre Dominicano und Taíno-Park)
Der Kazike betrachtete das Spiel dabei sitzend von seinem "Duho" aus, einem kleinen, aus edlem Stein oder Hartholz gefertigten, Zeremonienhocker. Dieser Sitz war mitunter Ausdruck der höchsten Kunstfertigkeit und darüber hinaus so wichtig, dass er mit seinem Besitzer beerdigt wurde, wenn dieser verstarb. Die anderen, weniger bedeutenden, Zuschauer saßen hingegen am Spielfeldrand. Höre ich da jemanden "Stehplatz Ostkurve" und "Loge" sagen?

Die Gewinner des Batú wurden als von den Göttern Auserwählte betrachtet und erhielten Trophäen, wohingegen die Verlierer gar geopfert werden konnten.



Was kaum jemand weiß: Die Taínos sind die Erfinder der Hängematte! Diese schützte sie beim Schlafen vor giftigen Tieren am Boden und vor Feuchtigkeit. Sie nannten sie "Hamáka", ein Wort, das auch heute noch im dominikanischen Spanisch ("Hamaca") verwendet wird.


Diese Erfindung hat ihnen vermutlich außerdem einen ewigen Platz in der Top10 des Weißbuches der Faulenzer und Müßiggänger eingebracht. Die Verbreitung in der Welt erfolgte über die spanischen Seeleute, die schnell erkannten, dass eine solche Matte einen sehr viel besseren Schlaf bei Seegang erlaubte, als es die bisherigen Schlafstätten taten und zudem viel Platz an Bord ein sparte.


Außerdem besaßen die Taínos offenbar bereits ein ausgefallene Auswahl an ... Küchengeräten ... wie folgende (unbeschriftete) Ausstellungsstücke aus dem Museo del Hombre Dominicano zeigen:





Die Taínos pflegten eine Naturreligion mit diversen Göttern ("Cemís") und einem Obergott ("Yucahú").

Dabei vertrat jeder Gott einen Teilbereich des Lebens und die Cemís galten als die Verkñrperungen dieser Götter auf Erden, zB Guabancex als Göttin der Stürme und Hurrikanes.












Was soll man auch tun, wenn's noch keine
100-Dollar-Scheine gibt?
Das wichtigste Zeremoniell ihrer Religion war die sog. "Cohoba".

Nach dem Motto "Disko-Nachtigall, ick hör' Dir trapsen" zogen die Teilnehmer - nur Männer, die zudem Tage vorher gefastet hatten - dabei ein Pulver durch die Nase ein, dass zu Halluzinationen und audio-visuellen Trance-Zuständen führte. Das sollte es ihnen ermöglichen, mit den Göttern und ihren Vorfahren zu kommunizieren, die Zukunft voraus zu sagen, eine reiche Ernte bescheren oder Krankheiten kurieren.

Unumgänglich naürlich die Frage: Welche Wundersubstanzen waren das? Hier die Antwort: Zum Beispiel der zerriebene Same der "Anadenathera peregrina", der die Wirkung einer psychoaktiven Droge hat (s. Wikipedia hier). Dieses Pulver wurde vom Kopf einer Statue oder von
"Krokos-Schmeißen" auf Taíno
einem anderen Stammesmitglied mittels eines "Y"-förmigen Rohrs in die Nase ein gezogen oder -geblasen (rektal soll es übrigens auch wirken). Hinsichtlich der vielfältigen (Gift-) Wirkungen erlaube ich mir, nochmals Wikipedia zu zitieren:

"Die ersten Symptome treten 10-15 Minuten nach dem Konsum auf. Dazu zählt der vollständige Kontrollverlust, multidimensionale Visionen, verbunden mit starken und vielfältigen psychedelischen Halluzinationen. Hierunter sind beispielsweise die Verwandlung in Tiere, erotische Ekstase und das Gefühl von Fliegen zu verstehen. Die Vergiftung beginnt mit Kopfschmerzen, Speichelfluß und Erbrechen. Anschließend folgen Trance-ähnliche Zustände mit Tanzen, Singen und Schreien."


Da die Taínos keine Schrift kannten, wurde Wissen in Form von Geschichten und Bildern weiter gegeben, unter anderem durch viele bekannte Höhlenmalereien. Diese können an verschiedenen Stellen der RD noch im Original (zT auch restauriert) bestaunt werden und - so finde ich - bezaubern durch ihre naive Ausdrucksstärke. Was mag etwa dem unbekannten Maler von vor über 500 Jahren durch den Kopf gegangen sein, als er staunend erstmals in seinem Leben die spanischen Schiffe erblickte und diese dann für seine Nachwelt in genau dieser Malerei, an dieser Stelle, an der Sie jetzt stehen, fest hielt?

Links: Malereien von den Taínos bekannten Tieren***
Mitte: naiv wirkende, aber sehr vielschichtige und düstere Darstellung der Todesgöttin (ohne Kopf)
(mit freundlicher Genehmigung des Parkes "Cueva de Maravillas"/ unbek. Fotograf)
Rechts: Darstellung von spanischen Schiffen und deren Wappen***

Kleinigkeiten am Rande:

Wichtige Kaziken wurden aufwändig einbalsamiert und bestattet. Teil dieses Ritus war, dass ihre Lieblingfrau mit bestattet wurde. Damit deren unbändiges Einverständnis auch sicher gestellt war, wurde sie zuvor unter Drogen gesetzt und dann lebendig mit begraben.

Links: Der tote Kazike wird unter den Beschwörungen des Bohiken zur letzten Ruhestätte gebracht (Foto rechts) - seine Frau kann das kaum abwarten (links außen) und wird nur mit Mühe abgehalten ihm zu folgen

Der Beruf des Heilers war sehr angesehen, aber auch gefährlich. Eines seiner zentralen Utensilien war der (heilige) Erbrechensspatel, der aus Knochen (zB der Seekuh) oder Stein aufwändig gefertigt wurde. Durch das Erbrechen sollte der Körper des Erkrankten gereinigt werden und die Krankheit/ der böse Geist auf etwas anderes über gehen, etwa ein Stück Opferfleisch. Gelang dies nicht und war die Familie des Nicht-Geheilten der Auffassung, der Heiler habe nicht alles Notwendige getan, konnte es passieren, dass auch der Heiler von dieser Welt Abschied nehmen musste und hingerichtet wurde. Man wird daher - meiner bescheidenen Meinung nach - wohl davon ausgehen dürfen, dass viel Zeit in das (nötige?) Drumherum und Tamtam investiert wurde.

Überhaupt hielt man es im Hause Taíno offenbar eher kurz und bündig mit dem Verfahrensgang und juristischen Spitzfindigkeiten, wurden doch schon kleine Vergehen sämtlich mit dem Tode bestraft.


Dieses, na ja, beschauliche Leben der Taínos wurde jäh gestört (und auch beendet), als 1492 Christoph Kolumbus die Insel Hispaniola für die spanische Krone in Besitz nahm.

Da staunt der Taíno: Christoph Kolumbus dankt auf Knien Gott am Strand der Insel Hispaniola****

"Rauchen kann Ihre Gesundheit gefährden" - auch die des
Spaniers, der hier gerade seine erste Zigarre angeboten
bekommt: Der erste Spanier, der in der Heimat rauchte,
wurde von der Inquisition verhaftet, da er "hexe" und
"wie der Teufel Rauch aus Mund und Nase" ausstoße
Zunächst schien ein friedliches Miteinander vor zu herrschen. Die Taínos empfingen die Spanier auf das Herzlichste und beschenkten sie mit Preziosien ihrer Zeit, etwa bunten Vögeln und goldenen Schmuckstücken. Die Spanier lernten zu gleich viele für die spätere Weltwirtschaft ungeheuer wichtige Dinge kennen, etwa den Kautschuk, den Tabak, die Süßkartoffel oder die Erdnuss. Der werte Leser stelle sich das heutige Leben und unsere Ernährung nur einmal ohne diese Produkte vor. Übrigens: Christoph Kolumbus verkannte (oder: Konnte nicht erkennen) vielfach die Bedeutung dieser Entdeckungen; So hielt er etwa Kautschukbällchen in seinen Aufzeichnungen für "wertlosen Ziegendreck" und den Tabak für eine "Spielerei".

Unten links: Taíno-Sklaven bauen die erste gepflasterte Straße der
neuen Welt: Die Calle de Las Damas in Santo Domingo*5*
Unten rechts: Ein Taíno erhält ein Sklavenbrandzeichen - im Gesicht
Diese Eintracht zwischen Neuankömmlingen und Taínos musste jedoch schnell der Goldgier der Spanier weichen. Die Taínos wurden ausgepresst, misshandelt, zu unerfüllbaren Goldzahlungen verpflichtet und schließlich versklavt. Sie wurden gebrandmarkt, als Zugviehersatz ins Joch gespannt und wie Ware gehandelt. Das alles ließ die Taínos dermaßen verzweifeln, dass es unter ihnen zu vielen kollektiven Selbstmorden kam.

Am Rande: Da die Taínos harte Arbeit nicht gewohnt waren und sich als zu wenig widerstandsfähig heraus stellten (d.h. zu schnell weg starben), wurden später die - nach Angaben von führenden Menschenhändlern: "Robusteren" - schwarzen Sklaven aus Afrika in die neue Welt verschleppt.


Die verbleibenden Taínos ließen diese Qualen zunächst weiter über sich ergehen, jedoch wuchs ihr Unmut verständlicherweise.

Anacaona: Oben als Statue in
San Juan de Maguana, unten die
Festnahmeszene im Taíno-Park
Besonders hässlich war ein Vorfall von 1502, bei dem der neue Machthaber der Insel, Nicolás de Ovando, vorgab, seinen Amtsantritt feiern zu wollen und dazu alle seinerzeitigen Kaziken der Insel nebst Familien zu einer Feier in der Nähe des heutigen Port-au-Prince (heute Haití) einlud. Als alle versammelt waren, wurde die Festhütte angezündet und die versammelten Taínos verbrannten darin. Wer entkam, wurde draußen von den Schergen Ovandos erschossen. 300 Mitglieder der Taíno-Führungsschicht sollen auf diese Weise zu Tode gekommen sein.

Nachdem der Oberkazike Caonabo von den Spaniern ermordet worden war, wurde seine Schwester, die bekanntere Anacaona ("goldene Blume"*6*), Oberkazikin der Taínos. Die seinerzeit 29-jährige versuchte noch alles in ihrer Macht stehende, die Spanier zu besänftigen, jedoch blieb dies erfolglos - sie selbst wurde gefangen genommen, in Santo Domingo nach einem Farce-Prozess erhängt und ihr Leichnam entehrt.




Ein erster Wendepunkt im Verhalten der Eingeborenen soll dann eine Szene gewesen sein, in dem einige erboste Taínos einen spanischen Soldaten auf Geheiß ihres Kaziken ertränkten, um fest zu stellen, ob er auch sterblich sei (s. Foto links). Danach bewahrten sie den Leichnam übrigens noch mehrere Tage auf, redeten mit ihm, boten ihm Speisen und Getränke an, entschuldigten sich und schauten, ob er nicht doch ins Leben zurück käme. Als das nicht der Fall war, wuchs ihr Mut und der Entschluss, die Eindringlinge (Spanier) zu bekämpfen.


Es kam in Folge zu verschiedenen Kämpfen und Scharmützeln, die die Spanier aufgrund ihrer überlegenen Waffen (und ihrer großen Hunde, vor denen sich die Taínos außerordentlich fürchteten) jedoch sämtlich für sich entscheiden konnten. Die gewachsene ungeheure Ablehnung mag auch folgende Geschichte verdeutlichen: Der gefangen genommene Taíno-Anführer Hatuey wurde vor seiner lebendigen Verbrennung von einem Priester gefragt, ob er noch die Taufe wünsche, damit er nach seinem Tode in das Himmelreich gelangen könne. Hatuey fragte daraufhin, ob denn Christen in den Himmel kämen. Als der Priester das bejahte, soll Hatuey die Taufe ab gelehnt und gesagt haben, dass er die Hölle einem Zusammensein mit derart grausamen Menschen im Himmel vorziehe.

Es scheint, als sei Guarocuya/ Enriquillo einer
von der entschlossenen Sorte gewesen
Ein letztes Aufbäumen der Taínos begann im Jahre des Herrn 1519. Der Kazike Guarocuya, bekannt unter seinem angenommenen Namen "Enrique" - verniedlicht: Enriquillo -, sammelte einige tausend verbliebene Taínos um sich um führte in den Bergen von Bahoruco (mittlerer Südwesten der RD/ Nähe der heutigen Grenze zu Haití) einen jahrelangen Guerillakrieg gegen die Spanier. Dieser konnte erst 1533 beendet werden und es wurde den Taínos erlaubt, sich in der Ebene um Azua an zu siedeln. Später raffte jedoch eine Seuche die Geminschaft dahin. Bis heute verblieb jedoch der Mythos Enriquillo, der für Unbesiegbarkeit steht und noch vielfach geehrt wird (s. z.B. Foto rechts außen: Aufwändiger Enriquillo-Park in San Juan de Maguana).


Anzumerken sei jedoch, dass die oben aufgeführten Untaten vermutlich weitgehend auf das Konto der Lokalfürsten gingen und am spanischen Hof und anderswo ausdrücklich nicht gut geheißen wurden. Es wurden Edikte und ähnliches erlassen, die jedoch vor Ort in Amerika weit gehend missachtet oder bekämpft wurden. Jedoch gab es auch Strömungen, etwa des Dominikanerordens, die sich gegen die Sklaverei und Ausbeutung wandten. Hierfür beispielhaft genannt sei etwa der kirchliche Disput von Valladolid/Zentralspanien von 1550.


In diesem Disput vertrat der bekannteste Vertreter dieser Linie, der Mönch Bartolomé de las Casas (rechts im Bild stehend), der die Behandlung der und Greuel an den Taínos selbst erlebt hatte, seine Thesen der Gleichheit gegenüber dem Priester De Sepúlveda (links sitzend), der die Taínos für Wesen niederer Art und geborene Sklaven hielt. Ergebnis des Disputes war die (weise) Erkenntnis des kirchlichen Legaten, dass auch die Taínos "Kinder Adams und Evas" und als solche zu behandeln seien. Dies wurde auch publiziert und an allen Kirchen der neuen Welt als Wille Roms ausgehangen. Für die Taínos kam dies jedoch leider zu spät.

Infolge der Zwangsarbeit, der Kämpfe, Selbstmorde und eingeschleppten Krankheiten (Pocken, Masern, Grippe) - gegen die sie keine Immunabwehr hatten - waren die Taínos um 1600 bereits ausgestorben. Das bedeutet also im Ergebnis einen Genozid von 300.000 - 1.000.000 Millionen Ureinwohnern in etwa 100 Jahren ... allein auf Hispaniola. Von der weiteren Eroberung ("Conquista") Mittel- und Südamerikas sei hier geschwiegen.




Immerhin sollen aber noch 15% der Dominikaner Merkmale der Taínos, also Teile ihrer Genetik, aufweisen.

Auch an anderen Orten, zB den vielen Artesanía-Läden (Kunsthandwerk/ Souvenirläden), leben die ehemaligen Bewohner vielfältig fort. Erkennen Sie etwa die beschriebenen Cemís wieder?









Auch im dominikanischen Spanisch haben die Taínos ihre Spuren hinterlassen, denn es gibt allerlei Worte aus der Taínosprache, die heute noch in der RD benutzt werden (hier eine Auswahl/ andere sind strittig):


Tabaco = Tabak                                            Iguana = Leguan                                       Carey = grüne Seeschildkröte     
  Mani = Erdnuss                                             Hicotea = Schildkrötenart                       Batea = Waschzuber
Aji = Paprika/ Pfeffer                                    Comejen = Termiten                                 Lambi = maritime Flügelschnecke 
Guanabana = Stachelannone (Frucht)       Barbacoa = Kochmethode für Fleisch   Buren = Backplatte für Casabe
Higuera = Baumart                                       Tiburon = Hai                                             Caribe = Karibik
Yuca = Yuca-Pflanze/ Maniok                   Huracan = Hurricane                                 Bohio = Rundhaus
  Guyaba = "echte" Guave (Frucht)              Cayuco = Kanuart                                     Yagua = getrocknete Palmenblätter
Maiz = Mais                                                   Bejuco = Wurzelart                                  Canoa = Kanu
Hamaca = Hängematte                                  Macabi = Stammn                                     Mabi = fermentiertes Getränk aus der  
                                                                                                                                                             Schale der Mabi-Frucht
Casabe = dünner Fladen aus Yuca             Coa = Hacke                                           Batey = Zeremonienplatz/ Dorf
  Jaiba = schwarzer Flusskrebs                       Bija = Pflanzensamen                            Conuco = Ackerland

Hier am Rande: Das urdeutsche Wort "Ananas" stammt auch aus der Taíno-Sprache, wird hier aber nicht aufgeführt, da man in der RD nur das spanische Wort "Piña" (wie das von der "Colada") verwendet.


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* Wer sich erinnert: Hier das Intro der seinerzeit ganz tollen Serie Es war einmal der Mensch, die gewiss einen nicht unerheblichen (hoffentlich positiven) Einfluss auf mich hatte.

** Als Quellen dienen mir:

1. Das Museum "Museo del Hombre Dominicano" ("Museum des dominikanischen Menschen") in Santo Domingo.

Das Museum ist ein wenig in die Jahre gekommen, wie schon das Schild am Eingang in zweierlei Hinsicht verrät. Man beachte die kleinen, aber feinen, Details.

In jedem Fall ist das Museum informativ und es gibt einen Audio-gestützten Rundgang. Hier die Website mit Adresse.


2. Das Museum "Taíno Park" (Samaná). Ein ganz toll aufbereiteter Museumspark, der anhand von Szenen (denen viele der hiesigen Fotos entstammen) und einem eindrucksvollen Audio-Programm die Geschichte der Taínos darstellt. So gut, dass ich selbst den Rundgang zweimal gemacht habe. Eines der interessantesten Museen, die ich kenne und unbedingt eine Reise wert (hier die Website). Eintritt: Satte 500 Pesos (= ca. 10 Euro), aber jeden Centavo wert.



3. Wikipedia zu Taínos

4. Weitere (kleinere) Museen und Ausstellungen in der RD sowie diverse Websites des spanischsprachigen Raumes (nur diese scheinen mir hinreichend detailreich).

*** Beispielsdarstellung aus dem Taíno-Park.

**** Da lacht das Juristenherz! Wer war mit als erster am Strand? Natürlich - ein Notar!











*5* Die Calle de Las Damas ("Damenstraße") ist die erste gepflasterte Straße Amerikas (übrigens auch ein Werk des Nicholás de Ovando (s.o.)). Entstanden sein soll sie aus dem Wunsch der spanischen Damen in Santo Domingo, die dort gerne nach spanischer Art flanieren wollten, ohne ihre langen Kleider mit der Erde der vorher nur platt gewalzten Straße zu beschmutzen.

*6* Es gibt sogar einen Salsa, der nach ihr benannt wurde: Anacaona - Cheo Feliciano