Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte


Zu Besuch beim Hahnenkampf



Es gibt ja so Dinge, die man nicht braucht und ohne die man so auch ganz gut leben kann. Bei mir gehört dazu zum Beispiel ein Hahnenkampf.


Das sehen viele Dominikaner aber anders und leben förmlich für die Tage in der "Arena de gallos". Es gibt gut besuchte Arenen selbst in kleinen Käffern und es geht oft um Wetten (also Geld). Man hat echte Clubs, stolze Besitzer, Hähne mit Werten bis zu 10.000 US$ und mehrmals die Woche Kampftage.


Das hat mich dann dazu bewogen, mir das Spektakel auch einmal anzusehen, um einen Eindruck zu gewinnen, welche Faszination von diesen Kämpfen wohl ausgehen mag. Soviel vorweg: Ich wurde nicht enttäuscht.


Also, auf zur Hahnenkampfarena in San Andrés!


Die Nerven vor dem Kampf sind ersichtlich zum Zerreißen gespannt:





















Der Eingang der Arena des "Club Gallistico Las Americas":



Ave, Caesar, morturi te salutant!




















Im Hinterhof halten die Vereine und Eigentümer zum Teil ihre Hähne:





Vorab gibt's ein typisch dominikanisches "Männer-Rahmenprogramm": Bier, Musik, Billard, Videoraubkopienverkauf und Abhängen:




Die Hähne werden vor dem Kampf gewogen und beschaut:




Dann werden wohl Kämpfe aus- und die Hähne untereinander heiß gemacht. Das genaue Procedere blieb mir aber leider verborgen:




Der Eintritt ist übrigens verhältnismäßig teuer, ca. 5 Euro für einen mittleren Platz.




Es folgen die Kämpfe. Die Hähne werden aus "ihrem" Sack heraus genommen, vorgestellt, rumgezeigt und wieder mit dem direkten Kampfgegner angeheizt. Dazu "kräht" - neben den Hähnen - ein Ansager per Mikrofon Daten etc. und kommentiert den Kampf.




Dann springen die Hähne aufeinander. Damit das Ganze nicht zu einer Kuschelveranstaltung verkommt, sind die Hähne bewaffnet und tragen an den Füßen hinten noch umgebogene Metalldorne. 

Die Zuschauer schreien dabei Wetten, feuern an und sind kaum zu halten, was vermutlich zu einem guten Teil auch auf den erfolgten Alkoholgenuss im Rahmenprogramm zurück zu führen sein dürfte. 





Nach meinem Eindruck scheint sich bei den Kämpfen relativ schnell die Überlegenheit eines Hahnes herauszustellen, wohingegen der andere unterlegene Hahn zerzaust und mitunter blutgetränkt Unterwerfungsgesten zeigt. Dennoch läuft der Kampf weiter und der Unterlegene versucht sich, zum Teil mitleiderregend torkelnd, noch zu wehren.





Die Stimmung erinnert mich frappierend an den Anfangskampf in Rambo 3: Opening Fight Scene.

So recht gefallen will mir das Spektakel aber nicht und mich beschleicht das Gefühl, gerade einen Einblick in eine archaische, sonst eher verborgene, Seite der Seele des Menschen zu erhalten.




Die Kämpfe hinterlassen Spuren an der Bande. 

Wie es sich für eine ordentliche Arena gehört, erscheint in der Pause aber ein dienstbarer Geist, wischt das Blut ab und sammelt die ausgerupften Federn auf.























Ein Verlierer wurde nach dem Kampf gleich hinter der Arena erlöst:


Ohne viel Federlesen ...

Hier ein anderer Veteran, der es - trotz Blessuren - zumindest überlebt hat:




Insgesamt in vielerlei Hinsicht lehrreich und in Teilen auch interessant das Ganze, aber mit einem Besuch auch genügend. Mich reizt es nicht mehr.




Schrecklich schön


La capital - Santo Domingo



Die Hauptstadt der RD ist Santo Domingo, was soviel heißt wie "Heiliger Sonntag" oder "Heiliger Dominicus". Sie liegt ca. 30 km westlich von Boca Chica am Río Ozama und hat ungefähr 4 Mio. Einwohner, also etwas mehr als Berlin. Die Einheimischen nennen sie schlicht "la capital" ("Die Hauptstadt"):


(Quelle: Eigenes Werk, Alexrk2/Wikipedia/*)



In Santo Domingo (SD) spiegeln sich herrlich die vielen Gesichter der Republik. Zunächst ein paar Einblicke:

Fährt man auf der autopista Las Americas nach SD hinein, taucht langsam die Stadt aus dem Dunst auf:




Die erste Erkundung von SD beginnt zumeist im ältesten Stadtteil, der zona colonial. Eher dezent weht einem hier beachtliche Geschichte entgegen:








Das Kolumbus-Haus - es war wirklich seins. Unklar nur, ob er auch darin gewohnt hat.



Kolumbus (span.: colón) weist den Weg in die neue Welt. Unter ihm, hier nicht sichtbar, der erste Indianer, der Lesen und Schreiben gelernt hat - eine Frau.



In diesem Haus hat Cortés die Erlaubnis zur Kolonialisierung, will sagen: Eroberung und Ausplünderung, Mittel- und Südmerikas erhalten. Eine gewiss nicht ganz unwichtige Volte der Weltgeschichte.












Auf dem Foto die bekanntere - wenngleich nicht besonders tolle - Haupteinkaufsmeile "el conde", die man gut zur ersten Orientierung in der Stadt nutzen kann:



Die üblichen Sehenswürdigkeiten (es gibt ziemlich viele) überlasse ich den handelsüblichen Reiseführern. Einzig noch zeigen möchte ich ein etwas anderes Monument. Nämlich dasjenige, das man an der Stelle errichtet hat, an der der seinerzeitige Dikator Trujillo - der dem Vernehmen nach gegen Ende seiner Amtszeit etwas eigenwillig geworden war - 1961 ermordet wurde:

Ob sich aus der Art und Farbe des Denkmals etwas über
die Amtsführung Trujillo's ablesen lässt?**

SD hat aber auch "normale" Seiten, wie etwa diese, wo die Dominikaner der Mittelschicht wohnen:

Zu Besuch im Stadtteil "Brisas del Este"
Spielende Kinder des Stadtteils 'Cristo Rey' (SD)


 Das "normale" Kommerzviertel mit seinem bunten Treiben in der Nähe der calle Duarte:






Ein Video sagt mehr als 1000 Worte:





Anzuraten ist, sich bei der Erkundung der Stadt ein wenig vorab zu informieren, wo man sich gerade herumtreibt, da nicht alle Stadtteile ("barrios") ungefährlich sind und ein "gringo" (ungefähr: "weißer Ausländer"***) in Touristenmontur, womöglich behangen mit Fototasche und mit ersichtlich ahnungslosem Blick, vielleicht ungewollte Begehrlichkeiten wecken könnte. So merkt man etwa bei wirklich armen Stadtteilen in der Nähe des Ozama unwillkürlich eine andere "Stimmung in der Luft".


Barrio am Ozama, vermutlich "Maria Auxiliadora"

Sieht harmlos aus, aber hier steigen auch "normale" Dominikaner
nur eher ungern aus dem Auto: Barrio am Ozama

Aber es gibt natürlich auch ganz andere Ecken zum Wohnen. Tauchen Namen wie "Piantini" oder "Bella Vista" auf der Visitenkarte auf, schnalzt der dominikanische Hörer mit der Zunge:


Die Mietpreise für eine Wohnung in dieser bescheidenen Hütte rangieren um 1.800 US$ im Monat. Ein Polizist verdient im Durchschnitt vielleicht umgerechnete 150 US$/ Monat.



Blick auf den malecón (Strandpromenade) in besserer Wohnlage

In einer Wohnung in Piantini

Mann vergleiche einmal mit anderen Fotos, zB aus Boca Chica ...


Im Mormonentempel in SD - in bester City-Lage

Ansehnlich ist SD auch an seiner Strandpromenade (malecón), die sich kilometerweit erstreckt und an der man wunderbar flanieren und Sonntags mit den Dominikanern chillen kann.





Für einen Badeausflug eignet er sich jedoch nicht unbedingt an jeder Stelle:





Santo Domingo bei Nacht:






Auch Abends/ Nachts ist am malecón ordentlich was los; man kann dort Sport treiben, essen, trinken oder einfach in der warmen Abendluft spazieren gehen:





Ein echtes Übel von SD ist der Verkehr, den man zur Rushhour schlicht als Pest bezeichnen kann:

Im Tapón ("Stau"): Auf der Brücke Juan Bosch über den Río Ozama
geht verkehrstechnisch erst mal nix mehr

   




Auch lässt die Sauberkeit der Stadt mitunter an einzelnen ... oder auch mehreren ... Stellen, je nach Grad der eigenen Pingeligkeit, zu wünschen übrig:

Wie heißt es so schön? "Liebst Du die Reinlichkeit, gönn' andern auch die Freud' "


Das sind übrigens keine besonders ausgewählten
Fotos, sondern Alltagsbilder




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* Weitere Quellen: SRTM3, ETOPO1, VMAP0, http://www.one.gob.do
    http://lib.utexas.edu/maps/dominican_republic.html.

** Wer sich für den ehemaligen Diktator und sein "Wirken" interessiert, kann den eindrucksvollen und künstlerisch 
    wertvollen Film "Das Fest des Ziegenbocks" (DVD) ansehen, dessen Buchvorlage von Mario Vargas Llosa  
    (Literaturnobelpreisträger 2010) stammt.

*** Abgrenzung unklar; wird auch oft (nur) für Nordamerikaner verwendet.



Da ist Musik drin!


Musik in der Dominikanischen Republik




In der RD ist die musikalische Unterhaltung ein Thema - und zwar ein wichtiges, allgegenwärtiges und ... lautes.

Zugleich aber auch ein wunderschönes, ist die Musik doch auch Teil des unnachahmlichen Lebensgefühls: Sei es, dass eine Verkäuferin im supermercado beim Verkaufen einen aktuellen Hit trällert, abends am colmado ein älteres Ehepaar plötzlich das Tanzbein schwingt oder ein Reklame-Pickup mit aufgeschnallten Disko-Standlautsprechern die Straßen mit gefühlten 10.000 Watt beschallt.


Es herrschen vor einheimische Stücke der Richtungen Salsa, Bachata, Merengue und Reggaeton/ Dembow.

Hier einige Beispiele, die mir in 2012 sehr gut gefallen haben:



Yiyo Sarante - La Maldita Primavera ("Der verfluchte Frühling")

      David Kada - Estos Celos ("Diese Eifersucht")

                Sexappeal - A Escondida ("Eine Verborgene")





Bachata ist wahrscheinlich das dominikanische Gegenstück zum deutschen Schlager und kommt oft zuckersüß, schmachtend und mit schnulzigen Texten daher.


 

     Romeo Santos, llévame contigo ("Nimm' mich mit")
     - Einer der gefeiertsten modernen Bachateros in der RD

              Ramon Torres - Tus Cartas Llegan
                   ("Deine Briefe kommen")



Hier was Uralt-Bachata, der mir persönlich gut gefällt. Von jüngeren Dominikanern höre ich, dass ihre Omas das auch gehört hätten. Ach herrje ...




     Marino Perez - Ay Morena, Ay Bendito
       ("Oh Braune, oh Gesegneter")

                  Rafael Encarnacion - Muero Contigo
                        ("Mit Dir sterbend")






Merengue ist ein eingängiger, manchmal sehr schneller Tanz und eine Art nationales Kulturgut der RD. Die traditionellere Variante "Merengue típico" finde ich weniger spannend.



                                 Merengue Dominicano Mix 2012

                                   Dom. Musikantenstadl: Merengue típico


Auch wenn sogar die jungen Dominikaner musikalisch sehr traditionsbewusst erscheinen und den übliche Mix von Bachata, Merengue und Salsa schätzen, so haben sie doch auch "ihren" eigenen Musikstil, wie wohl die Jugend fast überall auf der Welt. In der RD übernehmen die Rolle des Eltern-Schockers die Stile Dembow und Reggaeton*, die etwa mit dem Gangsta-Rap der USA zu vergleichen sein dürften.

Für junge Ohren haben beide eingängige Rhythmen und sind schnell gesungen wie ein Sprechgesang. Die Texte sind hart, härter am härtesten und handeln vielfach von Gewalt, Drogen, Sex ... und das alles nicht zu knapp. Verwunderlich ist, dass der offen sexistische Grundton vieler Stücke die DominikanerInnen nicht davon abhält, dazu zu tanzen und mitzusingen. Na, ja. Da verwundert es auch nicht weiter, dass der Tanz mitunter an die Vereinigung von Mann&Frau a-tergo erinnert (wg. Jugendschutz kein link).


     El Chuape - Ponme To Eso Palante
     (Mein zuerst gehörtes Lied in der RD)

                 Vakero - Alcoholico
                 (Ein - oha! - sozialkritischer Song über einen Alkoholiker, der das Leid und Elend    
                       der - gar nicht so seltenen - Säufer in der RD eindrucksvoll darstellt)



Diverses


Auf diesen Stücken hat sich eine dezente Staubschicht gebildet, trotzdem mag ich auch diese Lieder. Dem Herzen lässt sich nunmal nicht befehlen.


     Rodolfo y Su Tipico - Tabaco y Ron ("Tabak und Rum")

                     Joe Veras - Dime Que Paso ("Sag' mir, was geschah")




Die Musik kommt in der RD auf sehr unterschiedlichen Wegen zum Hörer. Da gibt es die zum Einen die oben angeführten Möglichkeiten, also aus Beschallung in Geschäften, von Autos oder Ghettoblastern.

Weiter kann man sie kaufen. Das geht als "original" (selten) oder als "version économica", die fliegende Händler auf der Straße feilbieten (häufig). Diese CDs kommen zumeist in einer dünnen Plastikfolie, sind unbeschriftet und haben ein farbgedrucktes Papiercover. Manche würden auch Raubkopie dazu sagen.

Auf frischer Tat ertappt! Eine version économica stellt sich zum Kauf


So ein Schätzchen kostet, je nach Feilschkünsten, zwischen 30 und 50 Pesos (ca. 60 Cent bis 1 Euro) und beinhaltet zumeist 20 Lieder, im Falle von MP3-Kompilations auch mal mehr. Der umsichtige Käufer betrachtet die CDs vorher oder hört, wenn möglich, am nächsten Colmado Probe, denn er möchte sicher stellen, dass ihm nicht einfach eine zwar hübsche, aber unbespielte Leer-CD mit Farbcover angedreht wird.



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Update:

Klarer Fall für den Kammerjäger! Hier gibt's dauernd neue Ohrwürmer:


          Salsa 1974: Celia y Johnny - Dime Si Llegue A Tiempo


      Le Dio Pa Mi - Clasion


                 Michel - Colgando En Tus Manos (ganz herrliches Salsa-Duett**)


                            El Pollito Pio (mal kein Salsa; man muss es hören, 
                                                        um es zu glauben)


Ich bin doch Salsa-lastig (aber unschuldig):

            Direkt aus dem Kreissaal:  Cuco Valoy - Nació Varón

      Gruß aus Kolumbien: Grupo Niche - Lo Bonito Y Lo Feo (ganz wunderbar 
                                                                                                    eingängig)



Überhaupt scheint sich derzeit der Salsa in der RD an zu schicken, den Merengue fast zu verdrängen und selbst Bachata scheint zweitrangig (persönliches Empfinden anhand der außerhalb zu hörenden Musik). Mag aber sein, dass dies vor allem für den Süden in Hauptstadtnähe gilt. Im Norden höre ich doch noch eher Merengue (típico).


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* (zusammengefasst als "musica urbana"/ "städtische Musik" bezeichnet - vermutlich in Abgrenzung zur als alt/ verstaubt 
    angesehenen Musik des "campo"/ "vom Lande" = typische Musik wie Merengue).

** So können wohl nur Südamerikaner: Man achte auf die überzarten, schnulzigen Texte und das Herzblut: "Mein Herz 
     ist gefangen/ verstrickt in Deinen Händen ...".