Lesen im Kaffeesatz (I)


Wo kommt der Kaffee der RD eigentlich her?




Um die Welt des Kaffees der RD vorzustellen, möchte ich meine lieben Leser heute in den Norden der Republik entführen, in das Gebiet um Jarabacoa, eines der großen Kaffeezentren der RD:

(Quelle: Eigenes Werk, Alexrk2/Wikipedia/*)



Jarabacoa ist ein nettes Landkaff im "Cibao" in der Provinz La Vega. Für die Städter ist es "el campo" ("auf dem Lande"/ hinterwäldlerisch), aber es hat ohne Zweifel seine Qualitäten. Hier einige Eindrücke:










Wie allgemein im Cibao sind die Einwohner etwas hellhäutiger
Ich empfinde Jarabacoa als liebenswert und seine Bewohner als moderat und höflich. Ein schöner Kontrast zu den bekannten Touristenhochburgen.

Auch scheint man mehr Vertrauen in die Aufrichtigkeit der Miteinwohner zu haben. Kleines Beispiel: In Jarabacoa zahlt man in den mir bekannten comedoren ("Imbissbuden") nach dem Essen, was in Boca Chica zumeist unvorstellbar erscheint (zB erhält man dort im comedor eine Gabel zumeist erst nach dem Bezahlen). Ich muss richtig gehend umdenken.



Zentraler Punkt, wie meist, ist der Park

Nicht zuletzt für mich ein Pluspunkt in Jarabacoa: Es gibt deutlich weniger Mücken, da die die Höhe nicht mögen, und die, die da sind, scheinen mir weniger aggressiv. Wie die Einwohner also.



Das schmeckt nach Verrat: Im Zentrum des nördlichen
Hochlandkaffees serviert man mir den Kaffee aus dem
Süden ...

Anders als vermutet ist sogar ordentlich was los, was am nahen Karneval liegen mag:

Dans op de deel: Die Dorfjugend lässt's krachen

Man beachte die Anwohner: Statt sich zu beschweren wird einfach mitgefeiert:

                                                                             



Einschub: Mit meinem Hotelzimmer erreiche ich einen - für mich - neuen Grad an Schlichtheit (zB Wellblechdach und nicht mal mit Ventilator), wohne dafür aber immerhin für spottbillige 8 €/ Tag. Meine Erkenntnis: Es reicht völlig aus.





Um den Kaffeeanbau kennen zu lernen, fahre ich mit "meinem" motoconcho Monchy und seinem Motorrad ins Gebirge. Obwohl ich es längst hätte besser wissen sollen und müssen, falle ich auf die Angabe eines Ortsansässigen herein, wonach der Kaffee "muy cerca" ("sehr nah") wachsen soll. Wie die Zeitangaben sind in der RD aber auch die Ortsangaben höchst de-e-e-e-ehnbar und die Strecke entpuppt sich als Fahrtzeit von einer Stunde.

Da der hiesige Kaffee der Art "Arabica" in den Tropen eine Höhenlage von 800 - 2.200 m und ein wechselfeuchtes Klima bevorzugt, müssen wir in die Berge der "Cordillera central" fahren, wo sich auch der höchste Berg der Karibik, der Pico Duarte (ca. 3.000 m), befindet.

Dominikanische Republik oder doch der Harz im Sommer?
Die Vegetation (zB Pinien) ist eine ganz andere,
als man sich das so denken würde


Die Steigungen sind zum Teil so steil, dass Monchy's etwas betagtes Motorrad uns zu zweit nicht schafft, so dass ich weite Strecken und Anstiege zu Fuß gehe. Dafür eröffnet sich mir ein sehenswertes Naturschauspiel, das andernfalls weitgehend verborgen bleiben dürfte.





Damit aber nicht genug. Mitten im Nichts haben wir plötzlich einen Platten, so dass wir das Motorrad dann auch noch schieben müssen. Etwas ungünstig in Anbetracht der schon arg weiten Entfernung zu Jarabacoa.

Sieht nicht so aus, isser aber: Da biste platt!


Aber Glück im Unglück: Wir treffen zufällig auf dem Schiebeweg zurück den Kaffeebauern Máximo Adames, der uns freundlich auf seine finca ("kleiner Bauernhof") in den Bergen einlädt. Immerhin stimmt diesmal die Entfernungsangabe, nämlich, dass uns nur ein Fußmarsch von zwei weiteren Kilometern bevor steht.





Beim Laufen erzählt mir Máximo aus seinem Leben: Er ist 63 Jahre alt und hat die finca von seinem Vater geerbt, der sie wiederum von seinem Vater erhalten hat. Máximo ist eines von 7 Geschwistern und hat im Alter von 8 Jahren angefangen, voll auf der finca zu arbeiten. Gerne wäre er noch etwas zur Schule gegangen, aber da gab es ein Problem. Sein Vater hatte zwar fortschrittlicherweise 4 seiner Söhne zur Schule geschickt, allerdings war der Besuch vom Tragen von Schuhen im Gebäude abhängig (sonst drohte eine Geldstrafe). Da die Brüder aber nur ein Paar Schuhe für alle besaßen, musste man sich abwechseln, wodurch der Schulbesuch natürlich rudimentär blieb. Máximos Kinder führen die finca übrigens nicht weiter, sondern sind in die Stadt und die USA gezogen.


Der Weg zur finca ist steinig und mitunter arg steil, aber auch sehr idyllisch und wahrlich am Busen der Natur. Máximo geht diesen Weg täglich, da er weder ein Motorrad, geschweige denn ein Auto besitzt.



Indiana Jones für Arme ...

Eine Ausflüglerin kreuzt den Weg



Schließlich gelangen wir zu der etwas entlegenen, aber keineswegs untypischen finca:


Der Weg zur Nachbarfinca
















Das Leben auf der finca ist noch recht traditionell mit einem Schuss Moderne:

Ein alter Stampfer ("pilón") für den Kaffee

Der moderne Gasherd ...

... und der traditionelle fogón werden beide benutzt.

Die Stühle sind mit Ziegenleder bespannt


Die Dusche ...

... der Abort


















Während der Nachbar unseren Motorradreifen flickt, erzählt Máximo vom Kaffeeanbau und seinem Leben hier oben.

Dabei ist er äußerst bescheiden und mag nur auf Aufforderung direkt in die Kamera schauen, da ihm ein direkter Blick ungehörig erscheint. Er spricht außerdem langsam und ruhig und viel im höflichen spanischen conditional, also etwa "Ich würde sagen ..." oder "man könnte ...".



Zum Kaffeeanbau:

Der Kaffee der Art "Arabcia"** wird hier oben in kleinen Parzellen an steilen Hängen angebaut. Er ist ein Schattengewächs und benötigt zum Gedeihen den Schatten anderer, größerer Pflanzen, zB von Bananenbäumen:



Kaffeekirschen am Baum;
sie reifen nur einmal an jeder Stelle des Baumes



Die roten Kirschen (können aber auch andersfarbig sein) sind erntereif

Doppelter Nutzen: Die Bananenbäume spenden Schatten
für den Kaffee und erbringen außerdem eigene Ernte


Die Kaffeepflanzen werden hier organisch angebaut, also ohne die Verwendung von Spritzmitteln, die sich die Bauern vermutlich ohnehin nicht leisten könnten. Dieser positive ökologische Anbau führt aber leider dazu, dass es derzeit wenig Kaffee gibt, da die Pflanzen gerade sowohl von einem Virus ("la roja") als auch einer Laus ("la broca") heim gesucht werden, die das Wachstum behindern und die Ernte schmälern:

Mámixo öffnet eine lausbefallene Kirsche für uns














Eine der schädlichen Läuse
















Anzumerken ist, dass die Dominikanische Republik ein kleiner, aber feiner, Kaffeeproduzent ist, der im Hinblick auf die Produktionsmenge weit, weit hinter den großen Anbauländern, etwa Brasilien, Vietnam und Kolumbien, rangiert.



Kleinigkeiten am Wegesrand:


Auf dem Weg zur finca sehe ich, wie die Bauern die Kaffeebohnen in der Sonne auf Planen trocknen. Das bedeutet viel Arbeit, muss der Kaffee doch mehrere Tage und dabei bis zu 20 Mal am Tag gewendet werden, damit er ganz trocknet und nicht schimmelt.





 Das hier ist etwa ein "Quintal", ca. 50 kg Kaffee:















Nach der Trocknung spricht man vom "grünen Kaffee"



Der Kaffee wird hier oben außerdem händisch geerntet, was eine ungeheure Arbeit ist. Die Bauern gehen mit einem Korb auf dem Rücken die Hänge mehrmals in der Saison (September bis Dezember) ab und ernten jeweils die reifen Beeren. Denn der Kaffee an einem Baum wird nie gleichzeitig reif (so auch etwa bei Zitronen).

Máximo verzichtet auf das Einstellen von  - billig arbeitenden - Haitianern, da diese seiner Ansicht nach zu grob mit den Pflanzen umgehen und einfach alle Beeren abrupfen, anstatt sie einzeln (richtig) zu pflücken.


Dann werden die Kaffeekirschen ("uvas") mit einer Maschine aus den 40er Jahren mechanisch entpulpt, also die innen liegenden Bohnen vom sie umgebenden Fruchtfleisch getrennt.















Eine Kaffekirsche hat zumeist zwei Bohnen in sich


Man stelle sich einmal den Aufwand vor, der alleine getrieben werden muss, bis der Kaffee nur als grüner Kaffee im Tal ist: Die Anpflanzung der Bäume, deren drei- bis fünfjähriges Wachstum (6 - 8 m Höhe) bis zur ersten Ernte, die dauernde Beschneidung während des Wachstums (damit die Bäume nicht zu sehr in die Höhe wachsen), die aufwändige Ernte der Kirschen, die Entpulpung der Bohnen, deren Trocknung, die anschließende Sortierung und der Transport. Bis er dann köstlich duftend in die heimische deutsche Kaffeetasse gelangt ist, ist der Weg noch weit (Teil einer eigenen novela).



Schließlich geht es für uns erschöpft nach Jarabacoa zurück und ich erahne, wie hart das Leben der Bauern hier sein muss, die das - und viel mehr! - jeden Tag machen, um nur ein bescheidenes Dasein fristen zu können.

Ein Gedanke geht mir während des Weges ins Tal durch den Kopf: Ist die Schnäppchenjägerei in Sachen Kaffee eigentlich in Ordnung, wenn ich im Discounter ein Pfund Kaffee für 3,99 € kaufe (und noch über den Preis maule), wobei allein die Kaffeesteuer in Deutschland 2,19 € pro Kilo beträgt? Im Endpreis enthalten sind ja auch noch Transport, Verarbeitung, Zwischenhändler, Verschiffung, Röstung und der Gewinn der Endverkäufer etc. Kaufe ich da vielleicht auf dem Rücken von Máximo und der anderen campesinos (Kleinbauern)*** günstig ein? Das möchte ich nicht.



___________

* Weitere Quellen: SRTM3, ETOPO1, VMAP0, http://www.one.gob.do,
   http://lib.utexas.edu/maps/dominican_republic.html.

** lat.: "Coffea Arabica", ca. 2/3 Weltmarktanteil; die andere bekannte Kaffeeart ist "Coffea Robusta" (ca. 1/3   
   Weltmarktanteil), deren Bohnen etwas kleiner sind und andere Anbaubedingungen benötigt; Nebenbei: Der manchmal 
   zu sehende Werbeaufdruck "100% Arabica" besagt also für sich genommen nahezu nichts im Hinblick auf die Qualität 
   des Kaffees.

*** Weltweit gibt es etwa 25 Millionen Kaffeebauern, davon sind 80% Kleinbauern. Mit Familien gerechnet leben 
    schätzungsweise 110 - 120 Millionen Menschen auf der Welt vom Kaffeeanbau.




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