Die Zigarrenmanufaktur La Aurora
Wie bereits in der letzten Woche erwähnt, will ich meinen lieben Lesern* diese Woche einmal die älteste Zigarrenmanufaktur/-fabrik der RD mit dem klangvollen Namen "La Aurora" - Die Morgenröte - in Santiago de Los Treinta Caballeros vor stellen.
Ein Besuch derselben ist mir von dominikanischen Bekannten wärmstens empfohlen worden und das ganz zu Recht. Aber sehen Sie selbst.
Die Fabrik liegt ziemlich außerhalb Santiagos in der Zona Franca (Freihandelszone) "Tamboril"("Tamburinchen"). Man erreicht sie relativ einfach, wenngleich mit etwas Fahrzeit, per Carro Público (Ruta "T") über die Carretera Santiago, KM 5, und ist also keinesfalls auf eine organisierte Tour an gewiesen.
Alles geht herrlich einfach und unbürokratisch - einfach hin fahren, am Tor Bescheid geben und los geht's. Keine Anmeldung, kein sonstiges Theater, nicht einmal Eintritt kostet es.
Rechts Impressionen vom Eingang:
Für Interessierte hier auch noch die englischsprachige La Aurora-Website.
Drinnen werde ich freundlichst empfangen und dem Führer Eugenio - "Eugen" sagt er selbst - vor gestellt. Eugenio spricht fünf Sprachen fließend, ua sehr gut Deutsch, und macht diese Führung seit 24 Jahren - und das nicht etwa (wie häufig gesehen) ableiernd, sondern mit so viel Herz und Leidenschaft, dass es auf den Besucher geradezu ab färbt. So ist man sich auch nicht zu fein, mich als einzelnen, nicht angemeldeten - und dazu nicht zahlenden - Besucher zu empfangen und mir den Betrieb vor zu stellen.
Links: Der blitzsaubere Empfangs- und Shopbereich der Tour; Mitte: Eugenio; Rechts: Die "Aurora 100 Años" |
Don Eduardo - Quelle: Eigenes Werk/ Unbekannter Fotograf) |
Die Fabrikräume befanden sich damals noch etwas außerhalb, wurden dann aber 1912 auf Anraten seines Bruders Herminio in die prosperierende Stadt Santiago verlegt.
Vorne: So sahen 1905 die ersten Zigarren aus |
Einige Jahre später traten außerdem die Schwestern des Don Eduardo der Firma bei, die sodann als "E. León Jimens Inc." firmierte und die "Aurora"-Zigarren her stellte. Nach dem Tode des Don übernahm Don Herminio die Leitung des Betriebes, wonach sie ab den 1950er Jahre weiter übertragen wurde.
Oben: Don Guillermo - Quelle: Eigenes Werk/ unbek. Fotograf Unten links: Erstes Werbemittel der Firma von 1927; Mitte: Der Stammbaum der Firmenführung Rechts: Arbeitsgeräte aus der Frühzeit der Firma |
Zeitweise stand man sogar in Verbindung mit Philipp Morris (USA), jedoch trennten sich die Wege später wieder.
Heute wird der Betrieb von Don Guillermo León geführt (Foto links).
La Aurora hat derzeit 77 registrierte Zigarrenmarken/ -arten, die in 59 Länder der ganzen Welt (auch Deutschland) verkauft werden. Zu diesen Zigarren gehört unter anderem die "Aurora 100 años Belicoso", die vom US-Fachmagazin "Cigar aficionado" zur "2nd Best Cigar Of The World" gekürt wurde**.
Wie entsteht hier nun eine der Zigarren?
Fotografien einer hauseigenen Bilderwand zum Einkauf; Zur Ausbildung differenzierter Zigarrengeschmäcker ist eine Mischung von verschiedenen Tabakblättern erforderlich |
Der ankommende Tabak wird sodann entpackt, vor sortiert und befeuchtet.
Hier eine Charge Tabak aus Brasilien |
Dann wird die sog. "Mittelrippe" des Tabakblattes, hier "Vena central" genannt ...
... von den "Despalilladores" (so heißen die Arbeiter, die dies erledigen) maschinell entfernt:
Unten Mitte: Die verbleibenden Mittelrippen; Unten rechts: Danach erfolgt eine weitere Sortierung von Hand nach Farbabstufungen |
Sehr nett: Für die gute Laune läuft durchgängig Musik:
Auch gut: Anders - oder genau wie - man erwarten würde, gilt natürlich "striktes" (man bedenke aber, wir befinden uns in der Dominikanischen Republik) Rauchverbot in der Fabrik (s. noch unten):
Die für die Einlage (s. u.) der Zigarre verwendeten Tabakblätter ("Tripas") werden sodann zur weiteren Fermentierung (was die typischen Tabakaromen erst aus bildet) eingelagert, wo sie mindestens vier Jahre, mache länger, verbleiben.
Der Tabak rechts etwa ist bereits 4 Jahre lang hier gelagert worden |
Sind alle Blätter bereit, kann die Herstellung der eigentlichen Zigarre beginnen. Eine solche besteht aus einer Einlage ("Tripa"), einem Umblatt ("Capote") - beide zusammen werden in Deutschland "Wickel", hier "Empuño", genannt - und einem Deckblatt ("Capa"). Hier wird's gemacht:
So werden die Einlagen/ Wickel von den "Tabaqueros", den Zigarrenmachern, her gestellt und danach zwei Stunden lang in Form gepresst:
Fertige Empuños, aber noch ungepresst |
Dass das Ganze "auf dem Schenkel einer schönen Mulattin" erfolgt, ist eine alte (Marketing-?) Mär, die vermutlich nie gestimmt hat, wie mir Eugenio erklärt. Kein Witz ist aber, dass den Tabaqueros während der Arbeit vor gelesen wird - zwar keine novelas, aber immer die tägliche Zeitung ... und das in herrlich theatralischem Ton, immer wieder unterbrochen von anheizender Musik:
Ein Qualitätsmerkmal guter Zigarren: Durch die Wicklung aus ganzen Blättern ist die Asche so fest, dass man sie aufheben kann; die Asche billiger Zigarren zerbröselt dagegen |
Ist der Empuño (Wickel) fertig gepresst, rollen die Tabaqueros kunstfertig die wichtige Capa (Deckblatt) darum:
Hier mal als Video die Umwicklung mit der Capa:
Am Rande: Die meisten der hier beschäftigten etwa 800 Arbeiter sind schon viele Jahre bei La Aurora beschäftigt. Sie werden ungewöhnlich gut sozial abgesichert, verdienen bei einer 6-Tage-Woche (Arbeit von 06:00 - 15:00 Uhr, 1 Std. Mittagspause) etwa 12.000 Peso im Monat (je nach Können und Betriebszugehörigkeit), haben 3 Wochen Urlaub im Jahr und sind über die Firma auch rentenversichert. Vor Ort ebenfalls immer wichtig: Aurora zahlt die Hälfte ihres Mittagessens und unterhält außerdem einen eigenen Bus-Shuttleservice für die Angestellten.
Überhaupt herrscht ein fabelhaftes Betriebsklima und wir kommen während der Führung gar nicht aus dem Begrüßen, Umarmen und Scherzen heraus***. Das scheint mir wie die Dominikanische Republik aus dem Lehrbuch und ich kann gut verstehen, dass die Angestellten sich sehr wohl fühlen:
Jede der besonderen Zigarren wird gesondert qualitätsgeprüft, etwa auf ihre Luftdurchlässigkeit, wofür es ein besonderes Gerät gibt (Bild rechts). Darüber hinaus werden die Chargen in einem gesonderten Raucher-Test-Zimmer Probe geraucht und die Qualität (Gewicht, Farbe, Aroma uvm) von den hauseigenen Experten noch einmal überprüft.
Dann werden die Zigarren durch Kälte desinfiziert und abermals gelagert, mindestens 4 bis 6 Monate, die Spitzenzigarren sogar noch länger, damit sie ihren besonderen Geschmack weiter ausbilden.
Ist die Lagerung beendet, werden die Zigarren von Hand aufwendig als Hingucker verpackt. Das Auge raucht halt mit.
"La Aurora Robusto Maduro" |
Aktueller Top-Notch: La Aurora Preferidos "Diamond" - toll an zu sehen und mit eben solchen Bewertungen der Fachwelt |
Die mittlere Zigarrenklasse ("Ciagritos") - bei der es nicht auf die gleiche Präzision und Kunstfertigkeit wie bei den Top-Modellen an kommt - wird maschinell aus den verbleibenden Tabakblattstücken her gestellt. Die dazu verwendeten (älteren) Maschinen kommen aus Holland und Deutschland. Wie fast überall sind die Dominikaner Meister der Wartung und des Reparierens, weshalb die Maschinen immer noch gut in Schuss sind und laufen.
Danach ist hier alles getan und die Zigarren werden in alle Welt verschickt, hier zB Russland und Japan:
Schließlich kommt auch meine Tour nach über 2 Stunden (Standard sind 35 Minuten) zu einem gemütlichen Ende im Shop-Raum ... und Eugenio zu einer verdienten Pause:
Lebensgefühl eines Zigarrenrauchers |
So viel Spaß und Freundlichkeit, gepaart mit Sachkunde habe ich hier bei meinen Touren schon lange nicht mehr erlebt, weshalb ich meinen lieben Lesern diese Tour - und natürlich den Genuss dieser fabelhaften Zigarren* - unbedingt ans Herz lege!
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* Es versteht sich von selbst, dass sich dieser Post nur an volljährige Leser richtet und keinesfalls Minderjährige - Finger
weg! - zum Rauchen verleitet werden sollen. Die üblichen Warnhinweise zu den Gesundheitsgefahren des Rauchens
setze ich als bekannt voraus.
** Siehe den Bericht hier.
*** Dabei ist natürlich vorteilhaft, wenn man leidlich Spanisch spricht, sich öffnet und die Dominikaner etwas kennt -
dann fliegen dem werten Besucher, wie vielerorts, die Herzen zu.
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